Читать книгу Soziale Arbeit in der Justiz. Professionelles Selbstverständnis und methodisches Handeln онлайн
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Damit ist bereits das dritte beherrschende Thema des Lebensweltansatzes von Thiersch angesprochen: der Fokus auf den Alltag. Diesen erleben Menschen als durchaus widersprüchlich:
»Alltag ist bestimmt durch die entlastende Funktion von Routinen, die Handeln, Sicherheit und Produktivität erst ermöglichen, gleichzeitig aber auch in Form von Enge, Unbeweglichkeit und Borniertheit menschliches Leben einschränken und behindern. Alltag ist geprägt durch Differenzen und Widersprüche zwischen den Routinen des gelebten Lebens und dem Potential eines nicht gelebten Daseins mit seinen Möglichkeiten« (ebd., 132).
Auf der einen Seite gibt es also schwierige Verhältnisse, andererseits sind im Alltag Möglichkeiten und Potenziale verborgen, die nur geweckt – oder wie Grunwald und Thiersch an anderer Stelle sagen – »transzendiert« werden müssen (Grunwald & Thiersch 2018, 910). Es bedarf »detektivischer Kunst«, die Wahrheitsmomente im Alltag, Momente gelingenderen Lebens zu entdecken, bewusst und wach zu halten, zu stützen und zu mehren, ohne in traditionelle Muster der Fürsorglichkeit oder der Dominanz zu fallen (ebd.).