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»Finden Sie folgenden Zug seines Charakters nicht rührend — edel? Ein höherer Offizier, wegen politischer Vergehen zur Festungsstrafe verurteilt, wendete sich an des Königs Gnade — um Hilfe für seine Familie zu erflehen. Die Räte des Königs nannten das Gesuch unverschämt. Der König aber sagte nach einer Pause: »Der Mann ist aber so unglücklich und umso beklagenswerter, weil durch eigene Schuld. Seiner Familie — muss geholfen werden!« und reichliche Unterstützung wurde ihr zu Teil.«

Einen sehr genussreichen Abend — nach der Minna- Alteration — verlebten wir bei Zelter, dem Freund Goethes, dem Direktor der Singakademie. Ich lernte diesen herrlichen Greis bei seiner Tochter, der Doktorin Rintel, kennen, und war nicht wenig stolz auf den Ehrenplatz an seiner Seite. Er liebt es sehr, des Sonntags im engen Familienkreise bei der Doktorin zu speisen. Er hasst allen Prunk und flieht elegante Visitenzimmer, sowie große Gesellschaften. Einstens hatte die Tochter ihn zur Einweihung eines Ballsaales herbeizulocken gewusst. Lange grollte Zelter aber, dass sie mit dem alten Vater paradieren wollte. — Als ich den großen, ernsten Mann zum ersten Mal sah, verstummte ich verschüchtert; seine blauen, ausdrucksvollen Augen schienen bis in den Kern meines Herzens dringen zu wollen — doch bald blickten sie freundlich mild — er vermochte wohl in den meinen keine Abgründe zu entdecken. Er sprach zu mir in väterlichem Ton und munterte mich auf, unverzagt meine Ansichten zum Besten zu geben. Wie herzlich lachte er über drollige Einfälle! »Ich liebe fröhliche Jugend!« sagte er, — »nur frisch ins Leben geschaut, übermütige Blondine … es wird leider schon anders kommen!« — Zelter erinnert an Aloys Schreiber und Hebel, das gleiche biedere Wesen, das kluge Sprechen, die edlen Züge … nur, ich möchte sagen, umfließt ihn noch der Reiz als Komponist und Freund Goethes, der sein Abgott ist. Wie oft fasste ich seine weiche Hand und küsste sie — rasch — ehe er es verhindern konnte; — und so wurde mir denn die seltene Ehre zu Teil, von ihm eingeladen zu werden. Er empfängt selten Gäste und lebt sehr zurückgezogen, sorglichst gepflegt von seiner jüngeren Tochter Dorotea, welche jeden Heiratsantrag zurückgewiesen, um sich dem Vater widmen zu können; ein sanftes, liebenswürdiges Mädchen. Als wir ins Vorzimmer getreten — ich zitternd vor freudiger Erwartung, denn Zelter hatte verkündet, Louis Berger, der liebenswürdige Komponist und beliebteste Klavierlehrer Berlins und Mendelssohn, sein bester Schüler, Sängerinnen mit süßem Sopran und herrlicher Altstimme würden zugegen sein — kam uns Dorotea entgegen und flüsterte: »Nur ganz leise — bis die Diskussion beendet ist, die Herren sprechen eifrigst über die Urteilsfähigkeit des Berliner Publikums, — hören Sie?« — — — Da vernahmen wir eine jugendliche helle Stimme: »Wie grausam sind Ihre bewunderten Musikkenner mit meinem ersten Versuch — mit meiner Operette verfahren!« — und eine tiefere, gemütvolle Stimme fügte hinzu: »Ich musste während vierzehn Tagen das Bett hüten, so hatte mich die Gemütsbewegung ergriffen — das Mitgefühl für meinen jungen Freund!« … Das war der gute, herrliche Ludwig Berger. Zelter erwiderte in seiner voll und kräftig klingenden Redeweise: »Hat nicht der beste Mensch seine Launen, — darf ein Publikum nie irren? Und dennoch sind meine Berliner wahre Kunstverehrer; Felix Mendelssohn-Bartholdy wird bald den entmutigenden Eindruck verschmerzt haben und glänzende Anerkennung erringen …« Wir folgten Dorotea in den Saal — und nun folgten seltene Genüsse für Geist und Ohr … Berger und Mendelssohn spielten vierhändig — dann Mendelssohn Solo — Zelter schlug mächtige Akkorde an — ergreifende Choräle, und begleitete dann der seelenvollen Altstimme eines jungen, schönen, bleichen Mädchens seine herrlichen Goethelieder: »Rastlose Liebe« und »Der König in Thule.« … Zelter flüsterte ihr vor dem letzteren Liede zu: »Bitte, sanft und frei — als säßen Sie am Meeresufer ganz in Gedanken versunken.«

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