Читать книгу Die Unbeirrbare. Wie Gertrud Heinzelmann den Papst und die Schweiz das Fürchten lehrte онлайн
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Boswil liegt unterhalb des Lindenbergs, wo sich die Moore ausdehnen, durch die das Flüsschen Bünz nach Wohlen hinunter fließt. An klaren Tagen sieht man vom Dorfrand aus am Horizont die ersten Häuser von Wohlen, sehr zum Ärger von Gertrud, dennoch erscheint ihr der Ferienort unvergleichlich. Hier gehören die Heinzelmanns selbst zu den Landhausbesitzern, während sie in Wohlen von ihrer Mietswohnung aus zu den Villen der «Strohbarone» hinüberblicken. Zwar wirkt das Haus aus der Biedermeierzeit verglichen mit dem Eigentum der «Strohbarone» schlicht und unscheinbar, aber für Boswiler Verhältnisse ist es auch in Gertrud Heinzelmanns Kindheit ein feudaler Sitz. Im Dorf gibt es keine Fabrikschlote, keine schmucken Anwesen und keine Besuche ausländischer Unternehmer, stattdessen dominiert seit alters der Kirchturm über den Bauernhäusern, und aus der Ferne mahnt das Kloster Muri. Da fallen standesgemäße Extras ins Gewicht. Die Scheune, in der einst Pferde und Kutsche untergebracht waren, ist nicht wie bei einer Bauernbehausung an das Wohnhaus angebaut, sondern steht vornehm auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Zum weiteren Komfort des Hauses zählt in der Küche ein imitierter, antiker Brunnen mit fließendem Wasser. Auf dem Zwischenstock im Treppenhaus steht seit seiner Erfindung ein Wasserklosett. Hier gibt es keine dieser «senkrechten Kegelbahnen», wie Gertrud Heinzelmann die Holztoiletten nennt, die sich bei der Nachbarschaft im Hinterhof befinden. Im Frühling wachsen im Garten hinter Buchseinfassungen Spargeln, damals eine seltene und wenig bekannte Delikatesse. Im Herbst hängen in der Küche Rehe und Hasen aus der Jagd am Lindenberg, und im Glaskasten im oberen Stockwerk sind die Trophäen ausgestellt, besonders prächtige und seltene Vögel, die einst die Vorfahren in den Mooren geschossen hatten. – Soweit einige Annehmlichkeiten des gehobenen Lebensstils, der seinen Charme noch in Gertrud Heinzelmanns Jugend verbreitet.