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Mittags blieben die Schüler in Zernez. Die Kochs und meine zwei älteren Brüder assen bei Bekannten oder Verwandten; die Müllers, Kinder der grössten der drei Familien, nahmen ihre Mahl­zeit am Bahnhof ein, und zwar im Güter­schup­pen. Ihre Mutter übergab dem Zugsschaffner einen Korb mit dem Essen, in Zernez nahm ihn der Stationsvorstand in Empfang und behielt ihn in seinem warmen Bü­­ro, bis sich mittags die Schar meldete. Der geheizte Warteraum kam als Esslokal leider nicht in Frage, und so blieb ihnen nur der kalte Schuppen.

Hier zuoberst am Hang das Materialmagazin, ein kleiner Holzbau mit rostigem Blechdach, in dem die Eltern damals den Fremden übernachten liessen. Eines Abends spät klopfte jemand ans Fenster, sie gingen hinaus, vor der Türe stand ein zerlumpter Mann, braunhäutig und kraushaarig, mit fremdländischem Gesicht. Er sagte etwas in einer Sprache, die sie nicht verstanden. Nach einigem Zögern liessen sie ihn hereinkommen, Mutter tischte etwas auf, wärmte einen Rest Kaffee. Er schien ausgehungert. Er hatte dicke Lippen, dunkelbraune, fiebrig schimmernde Augen. Vater zeigte ihm, wie man Butter aufs Brot streicht. Er nahm das Butterbrot und ass, sagte dann etwas, das vielleicht «danke» bedeutete. Natürlich keine Rede von Deutsch oder Romanisch, er schüttelte nur den Kopf. Vater versuchte es mit den Überresten seines Sekundarschulfranzösisch, worauf der Fremde immerhin lächel­te, als hätte er so etwas auch schon ge­hört. Seine eigene Sprache klang merkwürdig rau, er versuchte etwas zu erklären, zeichnete dabei mit dem Finger auf den Tisch. Man verstand nur ein paar Namen – Casablanca, Tunis, Italy, Triest –, vielleicht Wegzeichen seiner Reise. Dann fügte er hinzu: «Deserteur – Francia.»

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