Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн

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Frisch kritisierte zu Recht Abstumpfung, Zynismus und gewissensentlastendes Bekennertum als falsche Haltungen gegenüber dem Zeitgeschehen, und er forderte eine pragmatische Haltung: »Es kommt wenig darauf an, was wir empfunden, oder nicht empfunden haben«, wichtig sei allein, daß die Flüchtlinge Unterkunft, Kleider und Brot hätten.243 Offenbar hatte Frisch aber bereits gespürt, daß das Verhältnis von Politik und Kunst aufgrund der aktuellen Entwicklungen allmählich brisant wurde. 1943 war das Wendejahr des Krieges: Im Januar hatten die deutschen Armeen vor Stalingrad kapituliert, im Mai in Nordafrika, im Juli landeten die Alliierten in Sizilien, Mussolini fiel, und im November 1943 wurde auf der Teheraner Konferenz die Landung in Westeuropa vorbereitet. Der Alptraum vom faschistischen Europa verflog, Deutschlands Zusammenbruch wurde absehbar. Absehbar war somit auch die Frage nach der Mitverantwortung am Krieg, die Frage, wer dereinst zu den Schuldigen, wer zu den Schweigern, den Mitläufern, den Sympathisanten und wer zu den Siegern, auch zu den geistigen und moralischen Siegern, des Kriegs gehören würde. In dieser historischen Konstellation schrieb Frisch seinen Aufsatz über Kunst und Politik. Auch seine erste Ich-Erzählung entstand in dieser Zeit.

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