Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн

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Das eine Auge auf die Zeitung gerichtet, worin die Vernichtung Kassels berichtet wird (eine Untat der Alliierten, nicht der Nationalsozialisten), »das andere Auge auf die Milchpfanne … die jeden Augenblick meine Geistesgegenwart erfordert«,241 mit diesem Bild umriß Frisch seine Situation als Dichter im Zeitgeschehen. Dichtung ist die Milchpfanne, welche die ganze Geistesgegenwart erfordert. Ein zweites Bild – Christi Kreuzigung von Pieter Bruegel – sollte das Verhältnis von Zeitgreuel und Dichtung präzisieren. Jäger sehe man auf dem Bild, so Frisch, und Liebende und Äcker und Bauern und Pferde, Städte, Vögel und Kinder, »und man muß schon suchen, wo eigentlich der Heiland mit seinem Leiden stattfindet, nicht in der Bildmitte, nicht größer als alle die anderen …«242 Zumindest hätte Frisch auffallen müssen, daß, im Unterschied zum eigenen Dichten, die Kreuzigung bei Bruegel immerhin stattfand, wenn ihm schon das Auge fehlte, zu sehen, daß Bruegel die Kreuzigung eben dort »am Rand« malte, wo sich die wichtigen Kompositionslinien des Bildes treffen. Will sagen: Die Kreuzigung findet nicht ›unter anderem‹ und ›neben anderem‹ statt, sondern sie ist der Focus, von dem aus die Komposition des ganzen Lebensbildes aufgebaut ist.

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