Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн

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Die kulturellen Axiome des Nationalsozialismus konnten allerdings nur beschränkt übernommen werden. Die Idee einer Überlegenheit der germanischen Rasse und Kultur über die französische war z.B. für den Erhalt einer mehrsprachigen Schweiz unbrauchbar. Völkische und sprachkulturelle Distinktionen zementierten in Deutschland den nationalen Zusammenhalt. In der multikulturellen Schweiz wären sie Sprengstoff gewesen. Hier mußte eine eigene kulturelle Identität geschaffen werden. Diese Aufgabe übernahm die »Geistige Landesverteidigung«.

Bereits 1934 erschienen erste Schriften, die unter diesem Schlagwort eine national-schweizerische Identität einforderten. Frischs Kritik am Zürcher »Emigrantentheater« mit seiner »leichtfertigen Deutschfeindlichkeit« gehört in diesen Zusammenhang. 1935 debattieren die eidgenössischen Räte das Thema mit dem Ziel eines gesamtschweizerischen Kulturkonsenses. Vom bislang üblichen Kulturföderalismus – jeder sollte in seiner Façon selig sein – ging man über zur offensiven Propagierung einer gesamtschweizerischen Volks- und Bodenideologie, unter deren Dunstglocke sich konservativ-heimattümelnde Kulturkritiker zusammenfinden konnten mit traditionalistischen, aber staatsverdrossenen Intellektuellen sowie mit sozial engagierten, national orientierten Fortschrittlern. 1938 erließ der katholisch-konservative Bundesrat Philipp Etter eine einflußreiche Kulturbotschaft, worin er in beschwörendem Gestus die Prinzipien der »Geistigen Landesverteidigung« postulierte: Wir gehören zwar ebenso zur französischen, deutschen und lateinischen Kultur, wir sind aber in der spezifisch schweizerischen Zusammenfassung dieser Kulturkreise ebenso etwas Neues, Ureigenes, eben etwas Schweizerisches.

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