Читать книгу Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch онлайн

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‹Man konnte einfach nicht mehr mit ihm zusammenleben. Nicht mal ich oder seine anderen amerikanischen Freunde. Mehrere davon sind Juden. Wir wohnen alle hier in derselben Pension. Gestern hat er dann das Fass zum Überlaufen gebracht, als er völlig betrunken einem der jüdischen Studenten eine Flasche auf dem Kopf zertrümmerte. Seit Wochen hält er jeden weißen Mann, der ihm in Deutschland über den Weg läuft, für einen Nazi … Sie haben sich übel geprügelt. Natürlich hatte der Junge was dagegen, eins über die Rübe zu kriegen. Vor allem von einem ‘Nigger’, wie er es ausdrückte. Das war ein großer Fehler. Aber er war stinksauer. Sie bewarfen sich mit Tellern. Und als wäre das alles nicht schlimm genug, versammelten sich die Nachbarn vor der Haustür und auf der Straße und lachten sich krumm, weil zwei Amerikaner, ein weißer und ein schwarzer, nicht einmal dann miteinander auskamen, wenn sie nicht in Amerika waren. Ekelhaft!›

Ich fand es sehr traurig und beunruhigend, dass mein Freund sich so sehr verändert hatte. Doch wenn ich es mir recht überlege, kann ich nicht behaupten, dass das, was ihm passiert war, ungewöhnlich ist; ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es oft zu derartigen Szenen kommt, vor allem in größeren Städten, wenn alte Erinnerungen an die Heimat hochkommen oder wenn mich jemand bittet, einem Euro­päer die Rassenprobleme in Amerika zu erklären. Die Minderheiten, die von der Mehrheit unter Druck gesetzt werden, egal, wo sie leben oder arbeiten, bekämpfen sich manchmal gegenseitig, sei es aus Selbsthass, aus Angst oder, was noch erbärmlicher und zugleich auf geradezu perverse Art schön ist, aus der gewalttätigen und komplizierten Leidenschaft ei­ner unaussprechlichen Liebe heraus. Vermutlich ist das eine von mehreren Erklärungen für das rätselhafte ‹Problem›, das Weiße und Schwarze im Süden Amerikas miteinan­der haben, wie es beispielsweise ein oder zwei amerikanische Schriftsteller, Mr. Faulkner und Mr. Caldwell gelegentlich bezeichnen. Aber wie schwer fällt es diesen Herren und den wenigen anderen, aber auch mir selbst, diese Wahrheit zu akzeptieren.

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