Читать книгу Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch онлайн

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Todmüde taumelte ich auf der Suche nach einem billigen Hotel durch die Stadt. Die Luft war heiß und staubig von den vielen Gebäuden, die abgerissen oder neu gebaut wurden. Der Krieg, dachte ich und erinnerte mich an das Ghetto in Amsterdam. Nachdem ich durch viele Straßen gelaufen war und viele Fremde, die aussahen wie Militärs, Taxifahrer, Gepäckträger und Bahnbeamte, befragt hatte – offensichtlich trug hier jeder eine Uniform mit Schulterklappen –, landete ich bei einer sehr charmanten jungen Frau am Informationsschalter des Bahnhofs, die ausgezeichnet Englisch sprach. Sie erklärte mir genau, wo ich ein gemütliches und preiswertes Zimmer finden würde, und half mir, den Fahrplan zu entzif­fern. Ich bedankte mich bei ihr und lief zu Fuß zu dem Hotel, das sie mir empfohlen hatte. Dort ging ich sofort auf mein Zimmer, drehte den Schlüssel im Schloss um und fiel schwer auf mein Bett. Am nächsten Morgen gegen elf wachte ich auf. Und kurz nach eins stieg ich in den Zug nach Bern …

Während der Zug aus dem Bahnhof fuhr, ließ meine Beklemmung nach. Ein alter Nervenkitzel, den ich seit meiner Zeit als Soldat kannte, versetzte mich in Erregung, der Reiz des Unterwegseins mit einem neuen Ziel vor Augen. Als ich klein war, enthielt ‹morgen› immer die Verheißung auf etwas, was ich mir wünschte, egal was, aber heute nicht haben konnte … Vielleicht haben deshalb romantische und geheimnisvolle Dinge eine so wichtige Rolle in meinem Leben gespielt. Vielleicht habe ich deshalb immer befürchtet, dass das Unbekannte, das für mich mit all seinen unzähligen Möglichkeiten so kostbar ist, von der positivistischen Tendenz in ihrer ganzen Absurdität – heute fälschlicherweise als ‹wissenschaftlich› bezeichnet – einfach ausgeschlossen und ignoriert wird, weil es nicht berechenbar ist.

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