Читать книгу Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch онлайн

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Der Abend fühlte sich weich und kühl an, als ich an der Wander AG vorbeikam. Ich dachte an Little Orphan Annie und an Daddie Warbucks und daran, wie erstaunt – ja, gekränkt – ich gewesen war, als ich bei einem Streit, den ich unbedingt gewinnen wollte, entdeckte, dass Ovomaltine ein Schweizer Produkt war. Das ist nicht fair, dachte ich nun, lief die Monbijoustraße weiter hinauf, folgte den Gleisen des Trams um die Ecke und kam an dem Seniorenheim vorbei.

Aus seinen Fenstern fiel blasses Licht. Gegenüber auf dem weiten grünen Feld stapfte ein müder Bauer, der sehr alt aussah, vor seinem riesigen grauen Pferd über einen frisch gepflügten Acker. Als ich den Duft von Erde und feuchtem Gras einsog, fiel mir ein, wie mir mal jemand erzählt hatte, dass die Berner, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, fünfundachtzig oder sechsundneunzig und zwei Drittel, glaube ich, einen Schaukelstuhl vom Staat geschenkt bekommen. Mein Informant meinte, das erkläre vielleicht, warum die Berner sich bemühten, so lange wie möglich zu leben. Dann fragte er, ob mir nicht aufgefallen sei, wie vorsichtig sie seien. Wie praktisch, dachte ich, und lächelte in mich hin­ein, während ich zusah, wie sich die Gestalt langsam in der Dunkelheit verlor. Wie praktisch, so nah am Seniorenheim zu wohnen. Mein Lächeln und meine Gedanken lösten sich in kleine Wellen auf, die sich in meinen ganzen Körper ausbreiteten, bis seine Hitze in die abendliche Kühle ausstrahlte. Es lag an der Anstrengung und dem Rhythmus des Gehens, und als meine Augen auf die untergehende Sonne fielen, die sich durch einen Streifen Grün im Westen brach, entdeckte mein Körper sein Lied! …

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