Читать книгу Hans Grünauer. Roman онлайн

54 страница из 67

6

Mein blasses, sehr schmächtiges Aussehen, zu welchem ich nach und nach durch beständige Stubenhockerei und tödliche Langweile gelangte, vermochte endlich, den Vater um meinen Zustand besorgt zu machen. Er fragte mich ein paarmal beiläufig, woher es komme, daß ich so ein Buttermilchgesicht mache? Meine Antwort lautete unbestimmt, da ich von keinen örtlichen Leiden, mit Ausnahme nicht seltenen Kopfwehs, wohl aber von allgemeinem Un­wohl­sein sprechen konnte. Es war ihm nicht recht dabei, ob­gleich er vor mir keine Besorgnis blicken lassen wollte. Daher brachte er eines Tages etwas in einer kleinen Düte nach Hause; das sei gut gegen Würmer, deren ich ohne Zweifel eine schöne Portion im Leibe habe. Das interessierte mich wenig, denn Gesundheit war mir bei meiner großen Trübsal Nebensache. Aber der Vater hatte noch etwas anderes heimgebracht, nämlich ein Buch, betitelt: «Sitten und Meinungen der Wilden in Amerika». Er hatte es bei dem Apotheker, wo es zu Düten bestimmt gewesen, für einen Schilling gekauft. Es enthielt mehrere Kupfer, war aber nur der zweite Band eines größeren Werkes. Es läßt sich denken, mit welchem Heißhunger ich darüber herfiel und wie sonderbar lieb mir der Vater an diesem Tage war. Er hatte aus instinktivem Erbarmen diesen Schilling ausgeworfen und kümmerte sich einmal nichts darum, was die Mutter zu dieser Dummheit sagen möge. Überdies erzählte er mir von des Apothekers Bücherei, welche auf einmal wegzuziehen des Müllers sechs Pferde noch zu schwach wären. Er erzählte mir auch vom Apotheker selbst, dessen Vergangenheit mehr dunkle als lichte Stellen zeigte. Nicht nur redete man ihm nach, daß er in seinem Berufe Prellerei und Betrug mit Vorliebe kultiviere, sondern man sagte auch, er verstehe sich gleich den Juden aufs Beschneiden von Gold- und Silbermünzen, und daß er nebst seinem Bruder wegen Falschmünzerei bereits einmal zwei Jährchen gesessen hatte, war bekannt. Zu alledem passierte er als ein Meister in der Hexerei, welch edle Kunst er auch keineswegs ausschließlich zum Wohle seiner Nebenmenschen in Anwendung bringen mochte. Davon redete mein Vater mit geziemender Scheu und meinte doch, wenn er sich etwas von Haggers Kenntnissen erwerben könnte, so wollte er einige bewährte Sympathiestücklein allem andern vorziehen. Mich reizte in erster Linie nichts als die Bücherei und es tat mir wohl, in der Gemeinde einen solchen Schatz zu wissen, wenngleich selbiger für den Anfang noch so unzugänglich schien, wie derjenige in der afrikanischen Höhle Xaxa. Von nun an ging ich auch ein wenig lieber zur Kirche, denn des Apothekers Haus stand nahe dabei und ich sog die Luft dieser geweihten Nähe ein, wie der Diamant das Licht, daß mir durch die ganze Woche das Atmen ein wenig leichter war. Ich war auch einmal im Begriff hineinzugehen, aber ich erwog meine Armut und kleine Person und trat blöde an der Schwelle wieder zurück.

Правообладателям