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An einem Donnerstagabend zu Anfang des Herbstes, auf welchen wieder eine Lesestunde angesagt war, kamen plötzlich schlimme Berichte. Es hieß, die Regierung habe sich nach Sukkurs in andern Kantonen umgesehen, um das Häuflein der Gläubigen zu überrumpeln, und es seien bereits etliche tausend der anti-christlichen Helfershelfer im Anzug. Alles lief zusammen, unerhörtes Wehklagen von Weibern und Kindern entstand. Eine Botschaft des Komitees der Gläubigen forderte zum Landsturm gegen die Regierung auf, und von dem im gleichen Tale liegenden Kirchdorfe Wildungen hörte man schon die dumpfen Klänge der Sturmglocken. Nun holte der Vater in Gottes Namen die einzige, gutgeölte Flinte aus dem Gaden, Bruder Kaspar wählte sich einen Bengel aus Eichenholz und beschlug das eine Ende desselben mit langen Nägeln, daß eine Art Morgenstern daraus wurde. Mit diesen Waffen auf den Schultern nahmen sie schluchzend Abschied und traten in die dunk­le Nacht hinaus, wo sie zum allgemeinen Sturmhaufen stie­ßen. Bei der Menge wuchs der Mut, der Mut des Glaubens wie des Fanatismus. Was sich an erwachsenen Mannspersonen auf der Straße und in den nächstliegenden Häusern fand, wurde unnachsichtlich genötigt mitzukommen, indem man allen Zurückbleibenden den Tod drohte. Nur einige der Feigsten vermochten dem Verhängnis dadurch zu entgehen, daß sie das Zurückbleiben etlicher bewährten Christen zu Rat und Schutz der verlassenen Weiber und Kinder als notwendig darzustellen wußten. Den folgenden Morgen war Frühblumen wie ausgestorben, alle Feldarbeiten ruhten, nur einzelne Kinder schlichen wie verjagte Wespen unter den Bäumen dem gefallenen Obste nach. Gegen Mittag liefen die Weiber lauschend zusammen, ob noch keine Berichte eingegangen seien. Bald brachte ein Bote von Wildungen die Nachricht, es habe zwischen den Landstürmern und den Regierungstruppen einen Kampf abgesetzt, in welchem es eine bedeutende Zahl Verwundeter und Toter gegeben. Welch Lamento nun entstand, läßt sich denken. Endlich, noch vor Sonnenuntergang kamen zwei der Ausgezogenen zurück, es waren der Schulmeister Felix und sein nächster Nachbar. Diese sagten, es habe gefehlt, die gottlose Regierung habe mit Kanonen unter die Frommen schießen lassen, wodurch dieselben furchtbar dezimiert worden seien. Sie selber hätten sich, sobald sie eingesehen, daß es gefehlt, davon gemacht, um ihr Blut nicht nutzlos zu verspritzen. Ein altes Großmütterchen, das lange Jahre in der Stadt gedient, fragte, in welchem Stadtteile sich der Kampf entsponnen habe. Da wußten die Helden keinen Bescheid und mußten gestehen, daß sie vorsichtig, nur vom Berge in die Stadt geschaut. Um zehn Uhr nachts kamen die meisten zurück, auch mein Vater und der Bruder, die Taschen mit Weißbrötchen voll gestopft, deren ein frommer Bäcker in Wildungen zu Hunderten gratis an die heimkehrenden Glaubenshelden ausgeteilt. Sie kehrten als Sieger zurück, da die Regierung plötzlich es für gut gefunden, abzudanken. Mein Vater war mitten im Auflauf gewesen und hatte seinen Schuß, den er schon zu Hause geladen, auf einen Dragoner abgefeuert, einen zweiten zu laden, hatte er bei der Schnelligkeit, mit welcher der Kampf vorüberging, nicht Zeit gehabt; aber er freute sich übermässig, daß es ihm mit dem einzigen Schusse möglich gewesen, dem Antichrist eines aufs Fell zu brennen. Nebenbei ärgerte er sich, daß selbst an Ort und Stelle gerade die Frömmsten nicht vorwärts gewollt, deren er sogar einige nach dem Kampfe unter abseits gestandenen Lastwagen hervorkriechen gesehen.

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