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— Unser kleiner Leo, sagte Mona, unser lieber kleiner Leo! Wir hätten ihn nicht gehen lassen dürfen.

— Ihn etwa einsperren? Anbinden? Meinst du, wir hätten ihn zwingen können, zu Hause zu bleiben?

— Wir hätten niemals akzeptieren dürfen, dass er einfach so geht und sich wie ein Straßenkind durchschlägt. Er war noch ein Kind!

— Ja, ein Kind, ein selbsternanntes Findelkind.

Leos Stolz hatte es ihm verboten, uns auch nur einmal um Geld zu bitten. Zu seinem achtzehnten Geburtstag hatte er von der Bank eine Karte für sein Konto zugeschickt bekommen, die ihm Zugang zu seinem seit seiner Geburt von Großeltern, Tanten, Paten und auch von uns gespiesenen Guthaben erteilte. Es war nicht besonders viel, aber damit konnte er sich einige Monate über Wasser halten. Später erfuhren wir, dass er sich in einem besetzten Industriegebäude am Stadtrand neue Freunde gemacht hatte. Dort wohnte er mit vier Hunden, zwei älteren Punkfrauen und einem Straßenclown in einer Lagerhalle, und nach mehreren Wochen Absenz hatte er die Schule wiederaufgenommen. Wir hatten uns gestritten deswegen, hatten um Marihuana und um Alkohol gefeilscht, um Ausgehzeiten und um Taschengeld. Leo bombardierte uns mit Argumenten und Gegenargumenten, hielt Tiraden über die Konsumgesellschaft der Mittelschicht, fabulierte sich in die Höhen der Verantwortlichkeiten und Anschuldigungen, verweigerte jegliches Ver­söhnungsangebot und führte Krieg gegen uns, gegen die Gesellschaft, gegen die Welt, eine Welt, in der er nicht leben wollte. Als er dann begann, Lehrer für ihre vermeintliche Inkompetenz mit seiner Absenz zu strafen, eskalierte der Konflikt zu einem letzten rhetorischen Bombardement, das in Leos demonstrativem Auszug aus unserem Haus kulminierte.

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