Читать книгу Miló. Erzählungen онлайн
23 страница из 54
Und dann das im Gefängnis geschriebene Gedicht:
An den Füßen tragen wir Ketten
zur Buße.
In schmutzigen, dunklen Gefängnissen erleiden wir jede Qual
Zur Buße
Doch ihr, ihr da draußen
zerreißt die Ketten, holt uns heraus.
Die Gefängnistür geht auf
und wir hören den Schrei, den einzigen Schrei
Die Welt ist frei – ist frei – ist frei!
An einem dieser Tage hatte Amedeo ihm eine Zeitungsseite mit einer unfassbaren Nachricht mitgebracht:
Heute gegen zwölf Uhr erschien über Mailand plötzlich ein italienisches Flugzeug am Himmel und warf Flugblätter von Giustizia e Libertà ab. Die sprachlose, staunende Bevölkerung las sie mit Freuden. Die Flugblätter fordern zur Rebellion auf, um den Faschismus zu stürzen. Die Polizei griff ein, als das Flugzeug schon wieder aufgestiegen war und am Horizont verschwand.
Es ist ein Samstag im Juli 1930, Miló fantasiert. Zerreißt die Ketten! Dieser Irre ist ein Grundschullehrer aus Aosta: Bassanesi heißt er. Kommt aus dem Aostatal wie seine Mutter, ein Lehrer, ein sturköpfiger Fuchs, der gelernt hat, einen Eindecker zu fliegen. Um Platz für die Stöße von Flugblättern zu schaffen, verzichtet er auf den Fallschirm: zu schwer. Und über dem Domplatz von Mailand werfen Bassanesi und sein Freund die Flugblätter ab, die zur Revolte aufrufen, Tausende und Abertausende rote, grüne und gelbe Vögel flattern am lombardischen Himmel. Genau dann, wenn die Arbeiter und Angestellten aus den Käfigen der Büros und Fabriken kommen, in den Straßen den bunten Vögeln nachlaufen können und die Worte lesen: Revolte! Revolte!