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Catalina dreht sich auf den Bauch. Die Matratze ist dünn und uneben; Catalina erwacht jeden Morgen, als ob sie im Traum verprügelt worden wäre. Dann sagt sie zu ihrer Mutter: «Eigentlich habe ich nicht geschlafen; die Sterne stachen.» Die Mutter schüttelt den Kopf und denkt, Catalina sei nicht nur beschränkt, sondern auch wunderlich.
Ein Motorrad stöhnt auf und die Uhr ist stehengeblieben. Catalina will schlafen; der geplättelte Boden ist nah beim Gesicht und steigt, bis er die Wand berührt. Die gespaltene Kerzenflamme schlängelt, ohne sich fortreißen zu können – ihre Nahrung ist der Docht; sie braucht ihn, um zu leben, so wie die Mutter Onkel Manuel oder einen anderen Mann braucht und wie Catalina die Mutter braucht – die Frau, die für sie Butterbrote streicht und ein Taschentuch leiht, wenn Catalina weint.
Catalina liegt wie ein Tier; sie hat Arme und Beine von sich gestreckt, die Stirn in Falten gelegt und die untere Gesichtshälfte im Kissen vergraben. Die Matratze ist ihr Planet, das Haus ihre Welt; sie kreist. Sie trägt eine Pyjamajacke ihres verstorbenen Vaters und hat ihr Gesicht geschminkt; morgen wird die Mutter schimpfen, weil sie den verschmierten Kissenüberzug waschen muss. Immer stiehlt Catalina Lippenstift, Puder, Lidschatten und Wimperntusche aus Mutters Toilettentäschchen, setzt sich vor den halbblinden Spiegel in der Küche und macht sich das Gesicht, von dem sie denkt, dass ein Mann es rauben würde, während sie schläft oder vorgibt zu schlafen. Schenken wird sie sich nie, aber stehlen lassen. Ihre Mutter verkauft sich. Catalina denkt, was man stehle, liebe man mehr, als was man sich schenken lasse oder kaufe. Sie möchte einem Mann gehören, der sie bei sich versteckt und sie nicht zu andern Männern schickt, wie Onkel Manuel dies mit der Mutter tut. Für ihn würde sie tun, was er von ihr verlangt: Purzelbäume schlagen oder Kopfstehen – das kann sie lernen, so plump sie auch ist. Und waschen und putzen und bügeln und vielleicht Kinder und Katzen füttern und streicheln. Was verlangt ein Mann mehr von einer Frau? Sie weiß es, aber sie will nicht daran denken. Sie wird warten; sie wird immerzu auf dieser Matratze liegen mit ihrem runden, bunten Gesicht. Sie denkt an Onkel Manuel, der ihr einmal ein Fläschchen Parfüm mitbrachte und mit einem unschönen Auflachen zur Mutter, deren Mund plötzlich ganz klein und faltig geworden war, sagte: «Sie wird besser als du; du wirst schon sehen, du alte Ziege.»