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Sabel hatte in ihrem kurzen Leben viele Umzüge durchgestanden, sich an neue Gerüche und fremden Lärm gewöh­nen müssen. Dieses Mal musste sie das Schulhaus nicht wechseln. Sie sah einige Kinder aus einer Seitenstraße rennen; die schöne Mulattin war dabei, hatte die Hand erhoben, lachte und schrie. Sie war etwas jünger als Sabel, acht oder neun; ihre Stimme war angenehm rau wie die Stimme eines Buben.

Ein Schlag gegen das Ohr ließ Sabel taumeln; in vielen Farben schillernd wie ein großes Windrad wirbelte die Straße mit den Häusern, den Gartenzäunen und dem Himmel rundum und sie flatterte mit, drehte sich rasend schnell, sauste über eine steil abfallende Wand und fiel in Dunkelheit und Stille.

Jemand hob sie auf, drückte ihr ein Taschentuch gegen das Ohr und redete auf sie ein, doch sie war mit dicker Watte umwickelt und wusste, dass sie nicht gehen und nicht sprechen konnte. Von weither hörte sie eine aufgeregte Frauenstimme: «Ein dunkelhäutiges Mädchen war’s, ich hab’s gesehen; einen Stein hat sie dem Kind gegen das Ohr geworfen. Oh, das viele Blut …» Zufrieden, ja froh stellte sich Sabel vor, wie das Blut aus ihrem Ohr floss, sich davonmachte aus ihrem Körper und alle Wärme mitnahm, alles Leben, alle Gedan­ken – leer würde sie zurückbleiben, eine hässliche Hülle, die niemand brauchen konnte.

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