Читать книгу Die Brille des Nissim Nachtgeist. Roman. Die Emigrantenpension Comi in Zürich 1921-1942 онлайн

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Ich hatte noch ein Paket Langnese-Keks. Mit «Lang­nese» stieg mir jener schwere, süsse Geruch in die Nase, der über unserer Wohngegend in Hamburg lag. «Du kannst ja zu den Keksmäusen gehen», hiess es, wenn ich in der Schule nicht lernen wollte. Die Keksmäuse, nach Kakao riechende Arbeiterinnen aus der Keksfabrik Langnese, waren in un­serer Gegend auch Uhrenersatz. «Ach, schon Viertel nach fünf», eilig begann meine Mutter das Essen vorzubereiten. Die heimwärts strebenden, schweigenden Keksmäuse zogen mit irgendeiner Tasche am Arm an unserer Wohnung vorbei. Wir nannten diese Taschen Zampelbeutel, ähnlich jenem Sack, den die Hafenarbeiter trugen. In den Zampelbeutel kam alles hinein, was sie als herrenlose Fracht betrachteten und darum nach Hause mitnehmen durften. Sie hatten ein Einheitsmass von Holz bis zu den Bananen. Die Brüder waren zwar der Meinung, dass die Keksmäuse Schokolade und so nicht mehr riechen könnten, «steht ihnen hier oben, sag ich dir». Walter schloss bei diesen Worten die Augen und machte einen Fingerstrich am Hals entlang, ein Grad an Sättigung jedenfalls, den wir drei Geschwister uns gar nicht vorstellen konnten.

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