Читать книгу Tot sein kann ich morgen noch. Meine Reise vom Kopf zurück ins Herz онлайн

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Während ich dem jungen Taxifahrer lausche, wandern meine Gedanken. Seit zwei Monaten arbeite ich wieder Vollzeit und bin nicht mehr krankgeschrieben. Ich habe nicht mehr frei, weil ich krank bin, sondern weil ich Urlaub eingereicht habe. Ich freue mich so sehr darüber. Ich habe diesen ersten Schritt zurück in ein normales Leben geschafft und stehe hier in Venedig auf einem Boot. Viele Frauen finden nach Diagnose und Therapie nicht mehr so richtig zurück ins Leben. Haben Schmerzen oder Lymphödeme, bekommen Depressionen oder werden das Fatique-Syndrom nicht mehr los. Sie schleppen sich durch den Alltag und trauern ihrem alten Leben nach. Manche nutzen die Krankheit auch, um die ungeliebte Arbeit loszuwerden.

Auch für meine Kollegen war meine Diagnose ein Schock. Als ich mit meinen kurzen Haaren wieder ins Büro kam, sind sie gekommen, haben mich umarmt und sich gefreut, dass ich wieder da bin. Ich las auch in ihren Gesichtern: »Wenn es die erwischt hat, dann kann es mich auch erwischen.« Mein Los ist es nun allerdings, Krebsgeschichten anderer Menschen anzuhören. »Ich weiß, wie es Ihnen geht, mein Vater durchläuft auch gerade eine Chemotherapie und es sieht gar nicht gut bei ihm aus«, jeder kennt jemanden, der Krebs hat. Die Erzählungen der anderen zeigen nur die eigene Angst vor dieser Krankheit und auch dem Tod. Je länger meine Haare werden und je weniger ich krebskrank aussehe, desto seltener werden die Geschichten. Oder habe ich nur gelernt, damit umzugehen? Mich abzugrenzen? Ja, das habe ich, denn jede Krebserkrankung ist anders. Jeder Tumor hat andere Tumoreigenschaften, man kann nicht vergleichen. Lange habe ich mich verteidigt, habe von meinem kleinen Tumor erzählt, der nicht gestreut und den man früh entdeckt hat. Habe klargestellt, dass ich wieder gesund bin. Das habe ich aufgegeben. Kaum jemand möchte das hören. Viele möchten ihre Geschichten und ihre Angst für kurze Zeit loswerden und sehen jeden Krebskranken als dem Tod geweiht.

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