Читать книгу Die Schlafwandler онлайн

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In üblicher Weise lagen im Erdgeschoß die Gesellschafts-, im Oberstock die Schlafräume der Familie. Ja, sie würden nun an den Speisesaal, der mit seinen geschnitzten altdeutschen Möbeln düstere Behaglichkeit ausströmte, einen Wintergarten mit Springbrunnen anbauen und wohl auch den Salon ausgestalten. Dann stiegen sie die Treppe empor, welche oben und unten mit schön gerafften Samtportieren verhängt war, und die Baronin ließ nicht ab, jede der Türen zu öffnen und bloß die diskreteren wurden ausgelassen. Mit Zögern und einem kleinen Erröten wurde das Zimmer Elisabeths dem männlichen Auge gezeigt, doch mehr noch als dieses Gewölke weißer Spitzen, mit welchem das Bett, die Fenster, Waschtisch und Spiegel verhängt waren, wurde das Schlafzimmer des Ehepaares für Joachim zum schamhaften und peinlichen Erlebnis, ja fast verdachte er es der Baronin, daß sie ihn solcherart zum Vertrauten des Hauses und Mitwisser seiner Schande gemacht und gezwungen hatte. Denn nun stand vor seinem Auge, hier vor aller Augen, unverborgen vor Elisabeth, die er von solchem Wissen belastet und vergewaltigt fühlte, Bett an Bett, bereit zur Sexualfunktion der Baronin, die er nun zwar nicht nackt, aber undamenhaft und wie aufgerissen vor sich sah, stand dieses Schlafzimmer, und dies Zimmer erschien ihm nun plötzlich als der Mittelpunkt des Hauses, als sein versteckter und doch öffentlich sichtbarer Altar, um den alles andere herumgebaut war. Und ebenso plötzlich wurde ihm klar, daß in jedem der Häuser der langen Villenreihe, die er durchschritten hatte, ein ebensolches Schlafzimmer Mittelpunkt ist und daß die Sonatinen und Etüden, hinausgesendet aus den geöffneten Fenstern, hinter denen der Frühlingswind die weißen Spitzenvorhänge sanft bewegt, bloß den wahren Sachverhalt verschleiern sollen. So werden abends überall die Betten für die Herrschaft gerichtet mit den Laken, die so heuchlerisch glatt in der Wäschekammer gefaltet werden, und das Gesinde und die Kinder wissen, wofür dies geschieht; überall schlafen Dienerschaft und Kinder keusch und ungepaart um den gepaarten Mittelpunkt des Hauses herum, sie keusch und fromm, dennoch im Dienst und Befehl der Unkeuschen und Schamlosen. Wie hatte die Baronin es wagen können, da sie die Vorzüge der Gegend pries, die Nähe der Kirche in dieses Lob einzuschließen: müßte sie nicht als Letzte, sozusagen barfuß die Kirche betreten? Vielleicht hatte Bertrand dies gemeint, als er von der Unchristlichkeit sprach, und es wollte Joachim einleuchten, daß schwarze Gottesstreiter mit Feuer und Schwert über das Gezücht herfallen werden, um wahre Keuschheit und Christlichkeit wiederherzustellen. Er schaute zu Elisabeth hin und glaubte, in ihren Blicken Einverständnis mit seiner Empörung zu lesen. Und daß sie zu gleicher Entweihung bestimmt sein könnte, ja daß er selbst es sein sollte, der ihr solche Entweihung werde antun müssen, erfüllte ihn mit solcher Rührung, daß er sie hätte rauben mögen, bloß um vor ihrer Tür zu wachen, damit ungestört und ungeschändet in einem Traum von weißen Spitzen ewig sie träume.

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