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Als er durchs Dorf fuhr, sah er auf der Kirchenuhr, daß noch reichlich Zeit zum Zuge war; er hatte es ohnehin gewußt. Die Kirchentüre war zufällig offen und Joachim ließ den Wagen halten. Es galt, eine Schuld abzutragen, eine Schuld gegen die Kirche, die ihm bloß angenehme Kühle gewesen war, gegen den Pastor, dessen gute Rede er nicht gehört, gegen Helmuth, dessen Begräbnis er durch profane Gedanken verunehrt hatte, mit einem Wort eine Schuld gegen Gott. Er trat ein und suchte nach der Stimmung seiner Kindheit und ihrer Kirchen besuche, da er, Joachim v. Pasenow, stets aufs neue überwältigt, jeden Sonntag vor Gottes eigenem Antlitz hier gestanden hatte. Er hatte damals viele Kirchenlieder gekonnt und sie mit Inbrunst gesungen. Aber es ging doch nicht an, daß er jetzt allein in der Kirche zu singen anhöbe. Er mußte sich bescheiden, seine Gedanken zu sammeln und sie auf Gott und auf seine Sündigkeit vor Gott zu lenken, auf seine Kleinheit und Erbärmlichkeit vor Gott; aber seine Gedanken wollten Gott nicht finden. Nur das Wort Jesajas, das er an dieser Stelle einst gehört hatte, fiel ihm ein: »Ein Ochse kennt seinen Herrn, und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt's nicht, und mein Volk vernimmt's nicht.« Ja, Bertrand hatte recht, sie hatten die Christlichkeit verloren; und nun versuchte er das Vaterunser zu beten, mit geschlossenen Augen und achthabend, keine leeren Worte aufzusagen, sondern in jedem Wort den Sinn zu erfassen; und als er zu der Stelle kam, »wie auch wir vergeben unseren Schuldigem «, da stellte sich das weiche, ängstliche und doch vertrauende Gefühl der Kindheit wieder ein: er erinnerte sich, daß er diese Stelle stets auf den Vater bezogen und aus ihr die Zuversicht geschöpft hatte, dem Vater verzeihen zu können, ja ihm alldas Gute noch zu tun, zu dem ein Kind verpflichtet ist; und nun kam ihm ins Ohr, daß der alte Mann von einer Vereinsamung gesprochen hatte, von der er offenbar geängstigt war und die man ihm erleichtern mußte. Joachim verließ die Kirche und es fiel ihm das Wort »erhoben und gestärkt« ein, aber das Wort war ihm nicht leer, sondern hatte einen guten jugendlichen Sinn. Er nahm sich vor, Elisabeth aufzusuchen.

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