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Nun blieb der Mann an der Ecke der Rochstraße stehen, als warte er auf etwas; es mochte schon sein, daß er darauf wartete, Joachim werde ihm jetzt die fünfzig Mark zurückgeben. Hierzu war Joachim eigentlich verpflichtet und jäh und heiß stieg die Scham in ihm auf, weil er aus lauter Angst, man könnte meinen, er habe sich eine Frau gekauft, oder er selber könnte aus solchem Grunde an Ruzenas Liebe zu zweifeln beginnen, sie in der verhaßten Animiertätigkeit belassen hatte; und wie Schuppen fiel es von seinen Augen: er, ein preußischer Offizier, war der heimliche Liebhaber einer Frau, die von anderen Männern bezahlt wurde. Eine Unehrenhaftigkeit kann man bloß durch eine Pistolenkugel auslöschen, doch ehe er es mit allen furchtbaren Konsequenzen durchdenken konnte, verflimmerte der Gedanke, verflimmerte wie das Bild Bertrands, da der Mann die Rochstraße überquerte und Joachim ihn nicht aus den Augen verlieren durfte, bevor er nicht... , ja, bevor er nicht, das ließ sich eben nicht erhaschen. Bertrand, der hatte es leicht, der stand in jener Welt und zugleich in dieser, aber auch Ruzena steht zwischen zwei Welten. War dies der Grund, warum die beiden doch rechtmäßig zusammengehörten? Nun aber schoben sich seine Gedanken durcheinander wie die Menschen in dem Gewühl, das ihn umgab und wenn er auch ein Ziel vor sich sah, zu dem er hindenken wollte, so war es dennoch schwankend und verfließend und immer wieder verdeckt wie der Rükken des weichen Mannes vor ihm. Wenn er Ruzena ihrem rechtmäßigen Besitzer geraubt hatte, so mochte es wohl stimmen, daß er sie jetzt verborgen hielt wie einen Raub. Er versuchte Haltung zu bewahren, steif und gerade, versuchte die Zivilisten nicht mehr anzuschauen. Das Gewühl der Menschen um ihn herum, der Trubel, wie die Baronin sagte, all das geschäftliche Getriebe voller Gesichter und Rücken schien eine verschwimmende, gleitende, weiche Masse zu sein, deren man nicht habhaft werden konnte. Wohin sollte das noch führen! Und mit der vorschriftsmäßigen Haltung, in die er sich mit einem Ruck begab, fiel ihm befreiend ein, daß man bloß ein Wesen aus einer fremden Welt zu lieben vermag. Deshalb durfte er Elisabeth niemals lieben und deshalb mußte Ruzena wohl auch eine Böhmin sein. Liebe heißt, von seiner Welt in die des anderen flüchten, und so hatte er, trotzaller beschämenden Eifersucht, Ruzena in ihrer Welt belassen, damit sie stets aufs neue süß zu ihm sich flüchte. Die Garnisonskapelle lag vor ihm, und er hielt sich noch steifer, so steif wie beim sonntäglichen Gottesdienst der Mannschaft. An der Ecke der Spandauer Straße verlangsamte der Mann seinen Schritt, zögerte am Rande des Fahrdamms; wahrscheinlich fürchtet sich so ein Geschäftsmann vor den Pferden auf der Straße. Daß er diesem Menschen Geld zurückzustellen hatte, das war natürlich sinnlos; aber Ruzena mußte aus dem Kasino herausgenommen werden, das stand fest. Eine Böhmin blieb sie ja trotzdem, ein Wesen aus einer fremden Welt. Wohin aber gehörte er selber? Wohin war er schon geglitten? Und Bertrand? Wieder sah er Bertrand vor sich, verwunderlich weich und klein und strenge durch den Kneifer blickend, fremd ihm, fremd Ruzena, die eine Böhmin ist, fremd Elisabeth, die durch einen stillen Park geht, fremd ihnen allen und dennoch vertraut, wenn er sich umwendet und den Bart zu einem freundlichen Lächeln öffnet, heischend, daß die Frauen die dunkle Höhle im Barte zum Kusse suchen. Die Hand am Degengriff blieb Joachim stehen, als könnte ihm die Nähe der Garnisonskapelle Kraft und Schutz vor dem Bösen gewähren. Schillernd, unheimlich war Bertrands Bild. Es tauchte auf und verschwand wieder; »im Dunkel der Großstadt verschwunden«, fiel Joachim ein und die Dunkelheit hatte den Klang eines höllischen Sterbens. Bertrand steckte in allen Gestalten und alle verriet er; ihn, die Kameraden, die Frauen, alle. Doch nun bemerkte er, daß Bertrands Vertreter mit kurzem Trab wohlbehalten die Spandauer Straße überquert hatte. Joachim war glücklich, daß er Ruzena fürderhin den beiden entziehen würde. Nein, da konnte man nicht von Raub sprechen; im Gegenteil, er hatte die Pflicht, sich schützend auch zwischen jenen und Elisabeth zu stellen. Oh, er wußte, der Böse ist gleißnerisch. Aber ein Militär durfte nicht fliehen. Würde er fliehen, er würde Elisabeth schutzlos jenem ausliefern, er selber wäre einer von denen, die sich im Dunkel der Großstadt verstecken und vor den Pferden sich fürchten, und es wäre nicht nur das Schuldbekenntnis eines Raubes, sondern es hieße auch für ewig darauf verzichten, jenem das Geheimnis des Verrates zu entreißen. Er mußte ihm weiter folgen, doch nicht versteckt wie ein Spion, sondern aufrecht, wie es sich geziemt, und auch Ruzena wird er nicht verborgen halten. So wurde es inmitten des Börsenviertels, wenn auch in der Nähe der Garnisonskapelle, mit einem Male ruhig um Joachim v. Pasenow, so ruhig und durchsichtig wie der hellblaue Himmel, der durch den Straßenspalt hereinschaute.

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