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Er hat kein Ehrgefühl mehr, sagte sich Joachim, und trotzdem schien Bertrands Meinung natürlich und einleuchtend. Doch Bertrand fuhr fort: »Das mag wohl davon herrühren, daß es sich um Gefühle handelt... «
»Ehrgefühl«, sagte Joachim.
»Ja, Ehrgefühl und ähnliches.«
Joachim schaute auf - machte Bertrand sich doch wieder lustig? Er hätte gerne gesagt, daß man nicht bloß vom Standpunkt des Großstädters sprechen dürfe; auf dem Lande draußen seien die Gefühle unverfälschter und sie bedeuten mehr. Bertrand verstand also eigentlich nichts davon; dies durfte man natürlich einem Gaste nicht sagen, und Joachim bot schweigend Zigarren an. Aber Bertrand zog seine englische Pfeife und den ledernen Tabaksbeutel aus der Tasche: »Es ist so merkwürdig, daß gerade das Leichteste, Vergänglichste, das eigentlich Beharrliche ist. Körperlich kann sich der Mensch unglaublich geschwind neuen Lebensbedingungen anpassen. Aber selbst die Haut und die Haarfarbe sind beharrlicher als das Knochengerüst.«
Joachim betrachtete die helle Haut und die allzu gewellten Haare Bertrands und wartete, worauf jener hinaus wollte. Bertrand merkte sogleich, daß er sich nicht genügend verständlich gemacht hatte: »Nun, das Beharrlichste in uns sind wohl die sogenannten Gefühle. Wir tragen einen unzerstörbaren Fundus von Konservativismus mit uns herum. Das sind die Gefühle oder richtiger Gefühlskonventionen, denn sie sind eigentlich unlebendig und Atavismen.«