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Mit dem Pastor allein geblieben, sagte Frau v. Pasenow: »Ich bin ganz glücklich, wenn er wieder mal besserer Laune ist. Seit dem Ableben unseres armen Helmuth ist er ja stets recht gedrückter Stimmung gewesen.«

Der August neigte sich seinem Ende zu und die Pforten der Theater waren wieder geöffnet. Ruzena hatte nun Visitenkarten, die sie als Schauspielerin bezeichneten, und Joachim mußte auf Manöver nach Oberfranken. Er war Bertrand böse, weil er Ruzena in einem Beruf untergebracht hatte, der schließlich nicht minder anrüchig war als die Tätigkeit im Jägerkasino. Natürlich mußte man es auch Ruzena selber zur Last legen, daß sie überhaupt in einen derartigen Beruf geraten war, mehr vielleicht noch ihrer Mutter, daß sie ihr Kind nicht besser behütet hatte. Aber was er daran hatte gutmachen wollen, das schien nun durch Bertrand wieder zerstört. Vielleicht war es sogar jetzt noch ärger als früher. Denn im Kasino war alles eindeutig und es galt ja, ja, und nein, nein; die Bühne hingegen besaß ihre eigene Atmosphäre; hier gab es Huldigung und Blumen und wohl nirgend anderwo wurde es einem jungen Mädchen so schwer gemacht, anständig zu bleiben. Das war ja allgemein bekannt. Ach, es war ein stets tieferes Hinabgleiten, und Ruzena wollte es nicht verstehen, sondern war auf ihren neuen Beruf und ihre Visitenkarten sogar noch stolz. Sie erzählte mit großer Eindringlichkeit Kulissenerlebnisse und all den Klatsch des Theaters, den er nicht hören wollte, und durch die Dämmerung ihres Zusammenlebens brachen nun unaufhörlich Streifen von Rampenlichtern. Wie hatte er je glauben können, daß er zu ihr hinfinden würde, oder daß sie ihm gehört hätte, sie, die im vorhinein Verlorene. Noch suchte er sie, aber das Theater stand wie eine Drohung aufgerichtet und wenn sie von den Liebesaffären der Kolleginnen eifrig erzählte, so sah er darin die Gefahr und das feste Vorhaben ihres geweckten Ehrgeizes, es ihnen gleichzutun, sah darin Ruzenas Rückkehr zu einem früheren Leben, das sich vielleicht nicht viel . anders abgespielt haben mochte; denn der Mensch strebt immer zu seinem Ausgangspunkt zurück. Zerstörtes Glück der dämmerigen Indolenz, verlorene Süßigkeit der Trauer, die das Herz zwar umschloß und Tränen aufsteigen machte, die aber doch den Schimmer ewigen Versinkens in sich trug. Nun tauchten auch wieder die Hirngespinste auf, vor denen er sich gefeit geglaubt hatte, und wenn er auch nicht mehr das Antlitz des italienischen Bruders im Gesicht Ruzenas suchen mußte, es war darin vielleicht in noch ärgerer Weise eingegraben, eingegraben als das unauslöschliche Antlitz jenes Lebens, dem er sie nicht zu entreißen vermochte. Und der Argwohn wurde wieder wach, daß Bertrand es sei, der diese Hirngespinste herbeiführte, der alles beabsichtigt hatte, der gleich Mephisto alles vernichten und selbst Ruzena nicht schonen wollte. Zu alldem kamen die Manöver; wie wird er Ruzena bei seiner Rückkunft wiederfinden? Wird er sie überhaupt noch wiederfinden? Sie versprachen einander häufig zu schreiben, täglich; aber Ruzane hatte mit der deutschen Schriftsprache allerhand Schwierigkeiten, und weil sie überdies auf ihre Visitenkarten stolz war und er nicht wagte, die kindliche Freude zu zerstören, brachte ihm die Post oftmals bloß eine solche Karte mit derverhaßten Aufschrift »Schauspielerin« und auf der Karte stand »schickt viele Pussi«, ein Wort, das die Sanftheit ihrer Küsse zu entweihen schien. Dennoch war er höchlich beunruhigt, wenn er einige Tage keine Nachricht von ihr erhielt, trotzdem er sich sagen mußte, daß die Bewegtheit des Feldlebens Postverspätungen erklärlich machte; und er war froh, wenn dann eines der unangenehmen Kärtchen einlangte. Und plötzlich und unvermittelt tauchte es wie Erinnerung auf, daß auch Bertrand so eine Art Schauspieler sei.

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