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»Ei«, sagte die Baronin, als sie die neue Pergola im Rosarium bewunderten, »ei, wie zierlich: als wäre es für ein Brautpaar geschaffen. « Sie lächelte Elisabeth zu und auch der Vater lächelte, aber in ihrer beider Augen war die Angst vor dem Drohenden, Unentrinnbaren deutlich zu lesen, Hilflosigkeit, Wissen von einer Untreue und einem Verrat, dennoch im vorhinein verzeihend, da sie selber gesündigt hatten. Wie war es traurig, daß die Eltern schon von dem bloßen Gedanken an solch künftige Eheschließung bedrückt schienen, und Elisabeth wies jeden Heiratsgedanken weit von sich, so weit, daß es fast wieder erlaubt wurde, gerne zuzuhören, wenn die Eltern gleichsam als Zugeständnis an die Liebesbestimmung der Tochter von einer möglichen Heirat sprachen, gleichsam in einer Anerkennung, die die Tochter in die Sphäre der Erwachsenen erhob, beinahe zu einer Schwester der Mutter machte, und deshalb wohl auch mußte Elisabeth an Tante Brigittens Hochzeitstag denken, als nun die Mutter ihr einen zärtlichen Kuß auf die Wange drückte, mußte ihn auch wie einen Abschiedskuß empfinden, denn so hatte die Mutter damals die Schwester geküßt, unter Tränen geküßt, unter Tränen, obzwar sie alle behauptet haben, sehr glücklich zu sein und über den neuen jungen Onkel sich zu freuen. Aber natürlich war dies schon lange her; es war kindisch, daran zu denken, und Elisabeth, zwischen den Eltern, legte die Arme um ihre Schultern und ging mit ihnen zur Mittellaube der Pergola, wo sie sich niederließen. Die Rosenbeete, durchzogen von den schmalen, symmetrisch gewundenen Wegen, prangten in allen Farben und waren voll Duft, doch die Schatten waren noch nicht verflogen und der Baron sagte traurig, auf eine Gruppe weisend: »Und dort versuchte ich, auch einige Manettirosen zu setzen, aber unser Klima dürfte zu rauh für sie sein«, und als beabsichtigte er die Tochter durch solches Versprechen zurückzuhalten, fuhr er fort: »Falls es aber gelingt und sie gedeihen, dann sollen sie Elisabeth gehören.« Elisabeth spürte den Druck seiner Hand und das war ihr beinahe wie eine Andeutung, daß es etwas gab, das sie nicht fest genug umschlossen halten konnte, etwas, von dem man vielleicht meinen mochte, daß es die Zeit war, zusammengeballt und zusammengepreßt wie eine Uhrspirale, und die nun aufzuspringen drohte, sich zwischen den Fingern herauswand, länger wurde, ein beängstigend langes dünnes weißes Band, das zu kriechen begann und von ihnen Besitz zu ergreifen suchte wie eine böse Schlange, so daß man dick, alt und häßlich wurde. Vielleicht spürte dies auch die Mutter, denn sie sagte: »Wenn das Kind einmal von uns weggehen wird, werden wir allein hier sitzen.« Und Elisabeth sagte schuldbewußt: »Ich werde ja immer bei euch bleiben«, sagte es schuldbewußt und beschämt, weil sie selber nicht daran glaubte und es doch wie die Erneuerung eines alten Gelöbnisses klang. »Übrigens sehe ich nicht ein, warum sie dann nicht mit ihrem Mann bei uns wohnen soll«, schlug die Baronin vor, indes der Vater wehrte ab: »Bis dahin ist noch lange Zeit«, und nun mußte Elisabeth wieder an Tante Brigitte denken, die auf Würbendorf saß und dick geworden war, mit ihren Kindern zankte und die mit der holden Gestalt von einst so wenig gemein hatte, daß man sich nicht vorstellen konnte, wie es gewesen war, und sich fast des Glückes schämte, das ihre Nähe einst ausgelöst hatte. Und dabei ist Würbendorf heller und freundlicher als Stolpin und alle hatten sich gefreut, in Onkel Albert einen neuen jungen Verwandten zu erhalten. Mag sein, daß es auch nicht einmal Tante Brigitte gewesen war, die sie so sehr geliebt, sondern es hatte sich die Angliederung eines neuen Verwandten zu solch erregendem und holden Geschehen entfaltet. Würde man mit allen Menschen verwandt sein, so wäre die Welt wie ein gepflegter Park und einen neuen Verwandten bringen, hieße eine neue Rosensorte in den Garten setzen. Untreue und Verrat würden dann zum leichteren Verbrechen: das hatte sie wohl auch schon damals gespürt, als sie sich über Onkel Albert so sehr freute, und in dem Meere des ihnen angetanen Unrechts war es vielleicht diese kleine Insel des Verzeihens, auf welche die Eltern sich jetzt retteten, da sie von der möglichen Heirat der Tochter wie von einem freundlichen Geschick sprachen. Auch die Baronin hatte den Gedanken nicht aufgegeben; und weil das Leben aus lauter Kompromissen besteht, sagte sie: »Überdies wird unser Häuschen im Westend immer für sie bereit sein.« Aber Elisabeths Hand lag noch in der des Vaters, spürte deren Druck, Elisabeth wollte von einem Kompromiß nichts wissen. »Nein, ich bleibe bei euch«, wiederholte sie fast trotzig und sie erinnerte sich, wie bitter sie es als Kind empfunden hatte, daß sie vom Schlafzimmer der Eltern ausgeschlossen war und nicht über ihre Atemzüge wachen durfte; sprach doch die Baronin gerne und oft vom Tode, der den Menschen im Schlafe zu überfallen pflegt, und wenn sie ihren Gatten und Elisabeth damit erschreckte, so wurde es des Morgens selige Überraschung, daß sie die Nacht nicht auf ewig getrennt hatte, wurde zum täglich erneuten stürmischen Wunsch, sich bei den Händen zu nehmen, sich zu halten, auf daß sie niemals voneinandergerissen würden. So saßen sie auch jetzt hier in der Pergola, die von Rosenduft erfüllt war; Elisabeths kleiner Hund kam herangesprungen und begrüßte sie, als hätte er sie für ewig wiedergefunden und legte die Pfoten auf ihr Knie. Die Stöcke der Rosen standen steif und hart vor der grünen Wand des Gartens und gegen den hellblauen Himmel. Niemals würde sie einen Fremden, und wäre er noch so nahe verwandt, des Morgens mit jener Freude begrüßen können, niemals würde sie an seinen Geburtstag mit solcher leidenschaftlicher und fast andächtiger Eindringlichkeit wie etwa an den Geburtstag des Vaters denken können, nie würde sie ihn mit jener unbegreiflichen und doch hohen Angst umhegen, die die Liebe ist. Und da sie dies erkannte, lächelte sie liebend den Eltern nun zu und streichelte den Kopf des Hündchens Bello, das mit angstvollliebenden Augen andächtig zu ihr hinaufsah.

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