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Aber es kam nicht dazu, wenigstens vorderhand nicht, denn eines Tages machten Elisabeth und ihre Mutter einen nachträglichen Kondolenzbesuch bei Herrn und Frau v. Pasenow. Elisabeth war enttäuscht und doch irgendwie befreit, weil Joachim zufällig nicht daheim war, und sie war auch ein wenig beleidigt. Nun saß man im kleinen Salon und die Damen erfuhren von Herrn v. Pasenow, daß Helmuth für die Ehre des Namens gefallen sei. Elisabeth mußte daran denken, daß in vielleicht nicht allzu langer Zeit auch sie den Namen tragen werde, für den einer gefallen war, und mit einem Anflug von Stolz und freundlichem Erstaunen stellte sie fest, daß dann auch Herr und Frau v. Pasenow neue Verwandte sein würden. Man sprach noch über den Trauerfall und Herr v. Pasenow sagte: »So geht es, wenn man Söhne hat; sie fallen für die Ehre oder für den König ... es ist lächerlich, Söhne zu haben«, setzte er scharf und angriffslustig hinzu. »Ach, die Töchter heiraten uns dafür unter der Hand weg«, entgegnete mit fast beziehungsreichem Lächeln die Baronin, »und wir Alten bleiben auf jeden Fall allein zurück.« Aber Herr v.Pasenow erwiderte darauf nicht, wie es sich doch gehört hätte, daß die Baronin beileibe nicht zu den Alten gezählt werden dürfe, sondern er erstarrte in Blick und Haltung und sagte nach einigem Stillschweigen: »Ja, allein zurückbleiben, allein zurückbleiben«, und nachdem er noch ein wenig und offenbar angestrengt nachgedacht hatte, »allein sterben.«- »Aber, Herr v.Pasenow, wir wollen doch nicht ans Sterben denken«, war die mit pflichtschuldig fröhlicher Stimme vorgebrachte Antwort der Baronin, »oh, wir wollen noch lange nicht dar an denken; auf Regen folgt Sonnenschein, mein lieber Herr v.Pasenow, und das soll man sich immer vor Augen halten. « Herr v.Pasenow fand in die Realität zurück und wurde wieder Kavalier: »Vorausgesetzt, daß der Sonnenschein in Ihrer Gestalt in unser Haus kommt, Baronin«, und ohne die geschmeichelte Entgegnung der Baronin abzuwarten, fuhr er fort: »doch wie selten ist das... das Haus ist leer, sogar die Post bringt nichts. Ich habe Joachim geschrieben, aber wenig Antwort; ist auf Manöver.« Erschrocken wandte sich Frau v.Pasenow an ihren Gatten: »Aber... aber, Joachim ist doch hier.« Ein giftiger Blick strafte sie für diese Richtigstellung. »Nun, hat er etwa geschrieben? Und wo ist er jetzt?«, und es wäre sicherlich zu einer kleinen Auseinandersetzung gekommen, wenn nicht der Harzer Kanarienvogel in seinem Käfig die dünne gelbe Garbe seiner Stimme hätte emporschießen lassen. Da aber saßen sie um ihn herum wie um einen Springbrunnen und vergaßen für ein paar Augenblicke alles andere: es war, als ob dieser schmale gelbe Stimmstreifen auf- und niedergleitend sich um sie schlänge und sie zu jener Gemeinsamkeit vereinte, in der die Behaglichkeit ihres Lebens und Sterbens begründet lag; es war, als ob dieser Streifen, der emporschnellte und sie erfüllte, und dennoch zum Ursprung sich wieder zurückbog und rundete, sie des Redens enthöbe, vielleicht weil er ein dünnes, gelbes Ornament im Raum war, vielleicht weil er ihnen für ein paar Augenblicke zum Bewußtsein brachte, daß sie zusammengehörten und sie heraushob aus der fürchterlichen Stille, deren Getöse und deren Stummheit undurchdringlicher Schall zwischen Mensch und Mensch steht, eine Wand, durch die des Menschen Stimme nicht hinüber, nicht herüber mehr dringt, so daß er erbeben muß. Doch jetzt, da der Kanarienvogel sang, hörte selbst Herr v. Pasenow nicht mehr die entsetzliche Stummheit und alle hatten sie ein herzliches Gefühl, als Frau v. Pasenow sagte: »Nun wollen wir uns aber zum Kaffee begeben. « Und auch als sie durch den großen Saal gingen, dessen Vorhänge der Nachmittagssonne wegen geschlossen waren, dachte keiner daran, daß Helmuth hier aufgebahrt gelegen hatte.

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