Читать книгу Die Schlafwandler онлайн
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Es war stets eine Gepflogenheit Herrn v. Pasenows gewesen, die Post in seinem Zimmer zu erwarten. Auf dem Tische wurde seit unvordenklichen Zeiten neben dem Stoß der Jagdzeitungen ein Platz freigehalten und auf diesen Platz hatte der Bote täglich die Tasche hinzulegen. Und obwohl die Ausbeute sich meistens nicht verlohnte und oftmals bloß aus ein oder zwei Zeitungen bestand, nahm Herr v. Pasenow mit der stets gleichen Gier den Postschlüssel von dem Rehgeweih, an das er ihn zu hängen pflegte, und öffnete den gelben Messingbügel der schwarzen Tasche. Und während der Bote mit der Mütze in der Hand schweigend wartet und den Fußboden betrachtet, übernimmt Herr v. Pasenow die Briefschaften und setzt sich mit ihnen an den Schreibtisch, legt vor allem die seinen und die seiner Familie heraus, und nachdem er sorgsam die Anschriften der übrigen geprüft hat, übergibt er sie dem Boten, damit dieser sie den Empfängern unter den Hausleuten bringe. Manchmal mußte er sich Zwang antun, um nicht den einen oder den anderen Brief, der an die Mägde gerichtet war, zu öffnen, denn dies erschien ihm wie ein selbstverständliches jus primae noctis des Herrn, und daß das Briefgeheimnis auch für Untergebene gelten sollte, war eine neumodische Einrichtung, die ihm wider den Strich ging. Immerhin gab es unter dem Gesinde einige, die sogar über die äußerliche Briefbeschau murrten, besonders da der Herr sich nicht scheute, hinterher nach dem Inhalt der Briefe zu fragen oder die Mägde zu hänseln. Dies hatte auch schon zu ernsten Zerwürfnissen geführt, welche aber mit Kündigungen geendet hatten, so daß die Rebellen jetzt nicht mehr offen sich auflehnten, sondern ihre Briefe entweder selbst vom Amte holten oder dem Postmeister insgeheim den Auftrag gaben, sie durch den amtlichen Briefträger zustellen zu lassen. Ja, sogar den seligen Jungherrn hatte man eine Zeitlang täglich. beim Amte vom Pferde steigen sehen, um seine Post eigenhändig abzuholen; mag sein, daß er damals Frauenbriefe erwartete, die er vor den Augen des Alten bewahren wollte, oder daß er Geschäfte machte, die geheim bleiben sollten; aber der Postmeister, der sonst mit seinen Beobachtungen nicht hinterm Berge hielt, konnte weder das eine noch das andere vermuten, da die spärlichen Briefschaften, die Helmuth v.Pasenow empfing, keinerlei Schlüsse zuließen. Nichtsdestoweniger erhielt sich hartnäckig das Gerücht, daß der Alte durch irgendwelche Machinationen mit der Post eine Heirat und das Glück seines Sohnes zerstört habe. Insbesondere die Frauen auf dem Gute und im Dorfe hielten daran fest, und sie mochten nicht ganz so unrecht haben, denn Helmuth wurde immer gleichgültiger und müder, hatte bald seine Ritte ins Dorf eingestellt und seine Post wieder in der großen Posttasche aufs Gut und auf den Tisch des Vaters bringen lassen.