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Der Schaffner vor dem wartenden Zuge stand stramm, als er Joachims ansichtig wurde, und es war ein stillschweigendes Einverständnis zwischen den beiden Männern, Einverständnis in dem Blick des braven Unteroffiziers, der die Damen des Vorgesetzten in seinen Schutz übernahm. Und obzwar es ein wenig gegen die Konvention verstieß, die Baronin, welche mit Jungfer und Gepäck im Abteil installiert worden war, dort allein zurückzulassen, empfand Joachim es als freundliche Auszeichnung, daß Elisabeth den Wunsch äußerte, bis zum Klingelzeichen längs des Zuges noch zu promenieren. Sie gingen auf der festgestampften Erde zwischen den Schienen auf und nieder und wenn sie bei der geöffneten Türe des Coupes vorüberkamen, verabsäumte Joachim nicht, mit leichter Verbeugung hinaufzugrüßen, während die Baronin herunterlächelte. Elisabeth aber sprach davon, wie sehr sie sich auf das heimatliche Haus freue und daß sie mit Sicherheit darauf rechne, Joachim während seines Urlaubes, den er doch wie stets und in diesem traurigen Jahre mit um so größerer Bestimmtheit bei den Eltern verbringen werde, oft in Lestow zu sehen. Sie trug ein knappes englisches Reisekostüm aus leichtem grauem Tuche und ihr blauer Reiseschleier, der den kleinen Hut verdeckte, stand gut zur Farbe des Tuches. Es war fast verwunderlich, daß ein Wesen von so ernstem Gesichtsausdruck das Interesse und den tändelnden Geschmack zur Auswahl der vorteilhaften Garderobe aufbringen konnte, besonders wenn man mutmaßen wollte, daß das Grau des Kleides und das Blau des Schleiers eigens zur Farbe ihrer Augen ausgewählt sein mochten, die zwischen ernstem Grau und heiterem Blau schimmerten. Doch schien es schwierig, diesen Gedanken in richtige Worte zu fassen und Joachim war daher froh, als das Klingelzeichen ertönte und der Schaffner bat, die Plätze einzunehmen. Elisabeth stieg auf das Trittbrett und wußte durch Fortsetzung des Gespräches bei halbgewendetem Körper den häßlichen Anblick einer gebückt ins Coupe kletternden Dame geschickt zu kaschieren; erst auf der obersten Stufe ließ es sich nicht weiter vermeiden und sie kroch resolut durch die niedere Türe. Nun stand Joachim emporgedrehten Kopfes vor dem Waggon, und der Gedanke an den Vater, zu dem er vor nicht allzu langer Zeit hier an der gleichen Stelle in die Coupetüre hinaufgesprochen hatte, vermischte sich so merkwürdig mit dem Gedanken an die Jackenschöße Elisabeths und mit dem Projekt der Heirat, welches der Vater damals in häßlicher Weise angedeutet hatte, daß der Name dieses Mädchens mit den graublauen Augen und den grauen Jackenschößen, obwohl er es doch leibhaftig dort oben in der Coupetüre vor sich sah, plötzlich gleichgültig und vergessen war, merkwürdig und häßlich untergetaucht in der verwunderten Empörung, daß es Menschen gab wie seinen Vater, die in ihrer Verworfenheit sich erfrechten, ein jungfräuliches Wesen, gleichsam zur Erniedrigung und Besudelung irgendeinem Manne für ein ganzes langes Leben zu bestimmen. Aber so sehr er sie in dem Augenblick ihres resoluten Einsteigens als Frau erkannt hatte, er erkannte gleichzeitig schmerzlich, daß er nicht die Süßheit der Nächte Ruzenas, nicht ihr sehnendes Empfangen und Verdämmern erwarten dürfte, sondern daß es ein ernstes, vielleicht religiöses Gewährenlassen sein müßte, unvorstellbar, nicht nur weil es ohne Reisekostüm und ohne Uniform zu geschehen hätte, sondern auch unvorstellbar, weil der Vergleich mit Ruzena, die er aus der Männer Berührung und Besudelung gerettet hatte, geradezu als Gotteslästerung erschien. Doch schon läutete es zum dritten Male und während er leicht salutierend am Bahnsteig stand, ließen die Damen ihre Spitzentücher flattern, so lange, bis schließlich nur mehr zwei weiße Punkte sichtbar waren und eine Linie sanfter Sehnsucht aus dem Herzen Joachims sich herauswagte, sich dehnte und zu dem weißen Pünktchen sich hinüberspann, noch rechtzeitig im letzten Augenblick, ehe es in der Ferne entschwand.

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