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Eduard v. Bertrand, der im Begriffe stand, seine Geschäfte auf das böhmische Industriegebiet auszudehnen, erinnerte sich in Prag an Ruzena, hatte gewissermaßen für sie Heimweh und wollte ihr etwas Freundliches zum Troste sagen. Und da er Ruzenas Adresse nicht wußte, schrieb er an Pasenow, daß er in dankbarem Gedenken an ihren letzten Abend gerne hoffe, ihn bei der Rückreise nach Harnburg in Berlin anzutreffen, fügte einen herzlichen Gruß an Ruzena bei und lobte ihre schöne Heimat. Dann bummelte er durch die Stadt.

Nach dem Abend mit Bertrand und Ruzena hatte Pasenow erwartet, daß irgend etwas Besonderes und Feierliches, vielleicht sogar etwas Furchtbares erfolgen würde, zum Beispiel daß Bertrand die Auszeichnung und das Vertrauen, die er ihm durch die Gewährung jenes Abends hatte zuteil werden lassen, mit gleicher Münze zurückzahlen werde, wenn eine Entführung Ruzenas auch nicht ganz außerhalb des Bereichs des Möglichen lag; Kaufleute sind gewissenlos. Aber als weder das eine noch das andere erfolgte, vielmehr Bertrand sang- und klanglos und programmgemäß abreiste und nichts mehr von sich hören ließ, war Joachim eigentlich gekränkt. Da kam unverhofft die Nachricht aus Prag; er zeigte sie Ruzena: »Du scheinst Eindruck auf Bertrand gemacht zu haben«, sagte er zögernd. Ruzena verzog das Gesicht: »Wenn schon, mir gefallte nicht dein Freund, ist häßlicher Mensch.« Joachim nahm Bertrand in Schutz; er sei nicht häßlich. »Weiß nicht, mir gefallte nicht, sagt so Sachen«, entschied Ruzena, »soll nicht wiederkommen.« Damit war Joachim sehr einverstanden, obwohl er ihn jetzt eigentlich dringend gebraucht hätte, um so mehr, als Ruzena hinzufügte: »Morgen geh' ich in Theaterschule.« Er wußte, daß sie nicht hingehen würde, wenn er sie nicht hinführte, natürlich nicht, aber wie konnte er sie hinführen? Wie packte man so etwas an? Ruzena wollte durchaus etwas »arbeiten« und das Planen neuer Beschäftigungsarten bildete ein neues Gesprächsthema mit dem Reiz ungewohnter Ernsthaftigkeit, wenngleich Joachim all den aufgeworfenen Fragen sehr hilflos gegenüberstand. Vielleicht fühlte er, daß ein bürgerlicher Beruf ihr die exotische Anmut, mit der sie zwischen zwei Welten schwebte, rauben und sie in die Barbarei zurückversetzen würde, und eben deshalb reichte seine Phantasie auch nicht weiter als bis zum Theaterberuf, auf den Ruzuena voll Begeisterung sich mit ihm einigte: »Wirst sehen, wie ich sein werde berühmt, wirst mich liebhaben! « Aber es war ein weiter Weg bis dahin und es geschah nichts. Bertrand hatte einmal von einer vegetativen Indolenz gesprochen, in der die meisten Menschen lebten; das war wohl etwas Ähnliches wie jene Trägheit des Gefühls. Ja, wenn Bertrand hier wäre; der könnte mit seiner Weltgewandtheit und praktischen Erfahrung vielleicht helfen. Und so fand Bertrand, als er nach Berlin kam, eine dringende Einladung Pasenows als Antwort auf seine freundlichen Grüße vor.

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