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Joachim bekam jetzt öfter als früher Nachricht vom Hause; zumeist schrieb der Vater bloß kurze Mitteilungen in jener halbschrägen Kurrentschrift, die so sehr an seinen Gang gemahnte, daß man geradezu von einer Dreibeinigkeit dieser Schrift hätte sprechen können. Joachim erfuhr von den Besuchen, die die Eltern empfangen hatten, von den Jagdverhältnissen und den Aussichten für den Herbst, auch einiges über die Ernte, und zumeist schloß sich an die landwirtschaftliche Mitteilung: »Es wäre gut, wenn Du bald Vorbereitungen zu Deiner Übersiedlung ins Auge fassen würdest, da es ja angebracht wäre, daß Du Dich je eher einarbeitest und alles seine Zeit braucht. Dein getreuer Vater.« Wie stets spürte Joachim starke Abneigung gegen die Schrift und er las die Briefe mit vielleicht noch ärgerer Unaufmerksamkeit als sonst, denn jede Mahnung zur Quittierung des Dienstes und zur Übersiedlung in die Heimat war wie ein Hinabzerren ins Zivilistische und Haltlose, nicht viel anders, als wollte man ihn eines Schutzes berauben und ihn nackt hinausstoßen in die Gegend des Alexanderplatzes, damit jeder der fremdartigen und geschäftigen Herren sich an ihm reiben könne. Mochte man es Trägheit des Gefühls nennen: nein, er war nicht feig und er würde sich ruhig vor die Pistole des Gegners stellen oder gegen den französischen Erbfeind ins Feld ziehen, aber die Gefahren des Zivilistischen Lebens waren von fremder und dunkler, unfaßbarer Art. Da war alles in Unordnung, ohne Hierarchie, ohne Disziplin und wohl auch ohne Pünktlichkeit. Wenn er auf seinem Weg zwischen Wohnung und Kaserne an Borsigs Maschinenfabrik zu Arbeitsbeginn oder -schluß vorüberkam und die Arbeiter vor dem Fabriktor standen wie ein exotisches rostiges Volk, nicht viel anders als das Volk der Böhmen, so fühlte er ihre unheimlichen Blicke, und wenn der eine oder der andere grüßend an die schwarze Lederkappe griff, wagte er nicht zu danken, weil er sich scheute, den Freundlichen zum Überläufer zu stempeln, zu einem, der mit ihm Partei macht. Denn er empfand den Haß der anderen als etwas Berechtigtes, wohl auch weil er ahnte, daß sie Bertrand trotzseines Zivilanzuges nicht minder hassen würden als ihn. Etwas davon steckte wohl auch in Ruzenas Abneigung gegen Bertrand. All dies war beklemmend und ungeordnet, und es war Joachim, als habe sein Schiff ein Leck bekommen, das zu erweitern man ihn zwingen wolle. Völlig ungereimt aber schien es, daß der Vater von ihm verlangte, er möge Elisabeths halber den Dienst quittieren; gab es überhaupt etwas, was einen Freier ihrer würdig machen könnte, so war es, daß er sich wenigstens dem Kleide nach von all der Unreinheit und der Unordnung abhob; ihn der Uniform berauben, hieße Elisabeth entwürdigen. So schob er wohl den Gedanken an das zivilistische Leben und an die Rückkehr ins Vaterhaus als eine zudringliche und gefährliche Zumutung beiseite, doch um dem Vater nicht völlig ungehorsam zu werden, fand er sich mit Blumen am Bahnhof ein, als Elisabeth und ihre Mutter sich zum Sommeraufentllalt nach Lestow begaben.

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