Читать книгу Katharina die Große. Legitimation durch Reform und Expansion онлайн

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Schon lange hat sich die Frühneuzeitforschung von der Vorstellung, die Herrscherinnen und Herrscher dieser Epoche hätten absolute Herrschaft durchsetzen können, verabschiedet.25 Die Herrscherinnen und Herrscher des Russischen Reiches trieben diesen Anspruch mit der Autokratie auf die Spitze. Diese Autokratie hatte sich seit Ivan III., der den Zarentitel im Umgang mit auswärtigen Mächten durchzusetzen versuchte, verfestigt. Die Selbstherrschaft (Samoderžavie, Autokratie) meinte die Verfügungsgewalt des Herrschers über alle seine Untertanen, deren Dienst auf ihn hin ausgerichtet war. Die Großfürsten und seit 1547, als mit Ivan IV. erstmals ein Moskauer Herrscher zum Zaren gekrönt wurde, die Zaren hatten in ihrer Politik alles getan, um die Herausbildung von Ständen zu verhindern. So hatte der rechtlich nivellierte Adel keine ständische Identität herausgebildet, sondern blieb über den Dienst auf den Herrscher bezogen. Die Autokratie blieb im Grunde unhinterfragt.26

Als in der Zeit der Smuta (Zeit der Wirren) um 1600 das Moskauer Reich daniederlag und 1613 der erste Romanov-Herrscher Michailvon einer Landesversammlung gewählt wurde, ging das mit keiner Machtbeschränkung einher. Peter I. mit seinen grundstürzenden Reformen und seiner expansiven Außenpolitik hatte die Autokratie neu legitimiert, kommuniziert und begründet. Neben das Auserwähltsein durch und zugleich die Verantwortung vor Gott traten naturrechtliche Begründungen. Aber bei allen Wandlungen blieb die unbedingte Unterordnung unter die Person des Herrschers Kern der Idee. Als 1730 Anna, der Nichte Peters I. und Herzogin von Kurland, die Krone angeboten wurde, gab es in verschiedenen Gruppen des höheren und niederen Adels die Vorstellung, die Macht der Herrscherin in einer Wahlkapitulation zu begrenzen.27 Doch Ergebnis der autokratischen Politik war eine Fragmentierung des Adels als Gruppe gewesen, die sich auch in der Situation von Wahl und Krönung 1730 zeigte. Anna musste keinerlei die autokratische Macht beschränkende Kapitulation annehmen, die Autokratie existierte fort, auch wenn gerade diese Kaiserin das Regieren weitgehend ihren Beratern überließ.28 Auch ein Putsch stellte offensichtlich die Autokratie nicht in Frage. Als die Kaiserin Anna starb, wurde ihr zwei Monate alter Großneffe Ivan (VI.) Zar. Elisabeth, die aus verschiedenen Gründen übergangene Tochter Peters I., nutzte die Unzufriedenheit mit der Regentschaftsregierung, um sich 1742 mit Hilfe der Garden an die Macht zu putschen. Mit den kolportierten Worten, die Untertanen wüssten, wessen Tochter sie sei,29 führte sie eine umgehend akzeptierte Palastrevolution durch. In der Uniform eines Obersten der Garderegimenter, der seit Peter I. prestigereichen Elitetruppen des Reiches, setzte sie ihre Gegner fest, nahm den Untertaneneid entgegen und ließ sich im April 1742 in Moskau in einer Zeremonie zur Kaiserin des Russischen Reiches krönen, die von einer bis dato einmaligen Prachtentfaltung war. Das aufwendig gestaltete Krönungsbuch, das aus diesem Anlass an alle kleinen und großen Herrscher Europas geschickt wurde, kündete von dem ungeschmälerten Anspruch der Autokratie und von einem starken Sinn für Symbolpolitik und Prestige.30 Elisabeth war unverheiratet und kinderlos. Die schnelle Bestellung ihres Neffen Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorf als Thronfolger am 7. (18.) November 1742 und die Einladung Sophies nach Russland dienten ihrer Machtsicherung und der Dynastie.

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