Читать книгу Katharina die Große. Legitimation durch Reform und Expansion онлайн

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1752 ließ sich Katharina auf ein Verhältnis mit dem 26-jährigen Kammerherrn Sergej Saltykov ein, von dem sie in ihren Memoiren sagt, er sei schön wie der Tag gewesen.30 Diese Affäre währte noch, als Katharina 1754 von einem Sohn entband, der auf den Namen Paul getauft wurde und den die Kaiserin in ihre Obhut nahm. Katharina sollte nie eine enge Bindung zu ihrem Sohn entwickeln.31

Über die Vaterschaft ist viel spekuliert worden. Großfürst Peter erkannte ihn jedenfalls an und sprach in Briefen von »seinem Sohn Paul«. Sergej Saltykov hingegen wurde faktisch vom Hof verbannt, als ihm aufgetragen wurde, Pauls Geburt am schwedischen Hof anzuzeigen. Peter hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ebenfalls eine Mätresse, Elisaveta Romanovna Voroncova, mit deren jüngeren Schwester Ekaterina sich Katharina anfreundete.


Abb. 2: Anna Rosina Lisiewka, Das russische Thronfolgerpaar mit ihrem Sohn, Großfürst Paul (1756).

Katharina verbrachte die Zeit neben den Terminen des jungen und des großen Hofes vor allem mit Lektüre und ließ sich beraten, etwa 1755/1756 vom britischen Gesandten Sir Charles Hanbury Williams, der ihr Interesse an englischer Verfassung und Kultur förderte.32 Hatte sie schon in Deutschland wenn auch eher wahllos gelesen, suchte sie nun nach Lektüre, die sie auf ihre politische Aufgabe vorbereitete. Ihre Lehrer, alle Mitglieder der noch von Peter I. initiierten und 1725 gegründeten Russischen Akademie der Wissenschaften, machten ihr Vorschläge. So konnte sie in den langen Jahren ihrer Großfürstinnenzeit bis 1762 verschiedene Schichten von politisch relevanter Literatur zur Kenntnis nehmen. Dazu gehörte der gut eingeführte Bildungskanon antiker Literatur. Tacitus vor allem, so schrieb sie später, wäre eine Lektüre gewesen, die ihr den Weg öffnete für Werke, die sich mit dem Themenkreis Staat, Herrschaft und Individuum beschäftigten. Zu solchen gehörten auch Werke der älteren deutschen Staatsrechtslehre, etwa von Samuel Pufendorf, oder die Werke von dessen Zeitgenossen John Locke. Johann Heinrich Gottlob von Justis Staatswirtschaft oder systematische Abhandlung aller ökonomischen und Cameralwissenschaft, seit ihrem Erscheinen 1755 breit rezipiert, und andere seiner Werke, die in der ›guten Regierung‹ unterwiesen, standen auf ihrem Lektüreplan. Katharina wurde mit den ›Policeywissenschaften‹, wie sie in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches und so auch in Zerbst in Herrschaft durch gute Ordnung übersetzt werden sollten, vertraut. Diese Grundlagen des Staatshandelns hatten schon Peter den Großen und seine Berater beeinflusst.33 Sie rezipierte aber auch das, was aus Frankreich kommend eine jüngere und vom konzeptuellen Zugriff her umfassendere Variante der Aufklärung darstellte, nämlich die Texte von Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu. Sein De l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, Genf 1748) las sie nicht nur in ihrer Großfürstinnenzeit.34 Auch nach ihrem Herrschaftsantritt dachte sie anhand seiner auf John Locke basierenden Vorschläge zur Gewaltenteilung darüber nach, wie in Russland das institutionelle und praktische Verhältnis zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Regierungsgewalt war und sich entwickeln sollte. Und mit Blick auf das vielfältige Geflecht des kaiserlichen Hofes, der mit seinem gewaltigen Personalbestand, seinen Amtsträgern aus Verwaltung, Militär und Hofdienst auch unübersichtlich sein mochte, war doch überdeutlich, dass die Gewalten in der Kaiserin als autokratischer Herrscherin zusammenfielen. Elisabeth mochte Aufgaben delegieren und dies tat sie im Verlauf ihrer Herrschaft zunehmend, aber sie behielt alle Gewalten letztgültig in ihrer Hand. Das autokratische Bewusstsein blieb. Hier sollte sich Katharina von keiner ihrer Vorgängerinnen im 18. Jahrhundert unterscheiden.

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