Читать книгу Katharina die Große. Legitimation durch Reform und Expansion онлайн

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»Die der Kirche untertänigen Bauern, die oft unter tyrannischer Bedrückung leiden, wozu der häufige Wechsel der Herrschaft noch beiträgt, erhoben sich am Ende der Regierung der Kaiserin Elisabeth, und auch bei meiner Thronbesteigung standen noch mehr als hunderttausend Mann unter Waffen. Das veranlasste mich […] die Verwaltung der Kirchengüter völlig neu zu ordnen.«4

Das las sich für die aufgeklärte Öffentlichkeit in Europa gut: Das Manifest vom 26. Februar 1764, mit dem die Kirchengüter erneut säkularisiert wurden, machte die Kirchenbauern zu Staatsbauern und linderte ihre Lasten, weil Frondienste entfielen und nur noch Zins zu zahlen war. Gleichzeitig sollte es den zahlreichen größeren und kleineren Bauernunruhen im Reich, nicht nur auf Kirchenland, die Spitze nehmen.5 Es schürte aber auch Erwartungen unter den Gutsbauern in Russland, dass Ähnliches auch für sie geplant sein könnte, und erregte entsprechenden Argwohn beim Adel.6

Dieser Argwohn bestand nicht zu Unrecht, denn die öffentliche Debatte war bereits eröffnet und fiel zusammen mit den Zentralisierungstendenzen katharinäischer Verwaltungspolitik: Die Regierung Katharinas II. zielte von Beginn an darauf, das wirtschaftliche Leben Russlands in Gang zu bringen und die Ausnutzung der wirtschaftlichen Reichtümer des Reiches möglichst rationell und wirksam zu organisieren. Gelehrte Vereinigungen wie die Freie Ökonomische Gesellschaft7 sollten die Debatte hierüber forcieren. Sie glaubte, hierin ganz in petrinischer Manier, dass dieses Ziel nur unter der aktiven Führung, Teilnahme und rationellen Lenkung des Staates erreicht werden könnte. Deshalb mussten alle Territorien den administrativen und sozialen Verhältnissen der zentralen Gouvernements angeglichen und alle lokalen Machtzentren St. Petersburg untergeordnet werden. Das hieß, dass man die partikularen und auf Eigenständigkeit gerichteten Tendenzen im sozialen und kulturellen Bereich bekämpfen und gegen die freie Entfaltung individueller und lokaler autonomer Kräfte angehen musste. Dies war ihre Ansage auf der Reise ins Baltikum und dies war auch ihre Politik in den Gebieten der südlichen Peripherie, in der Ukraine. Auch hier war das Ziel: Territorialisierung durch Vereinheitlichung.8

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