Читать книгу Drecksarbeit. Geschichten aus dem Maschinenraum unseres bequemen Lebens онлайн

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Die Gleichzeitigkeit all dieser Eindrücke war ein Schock, obwohl ich nichts anderes erwartet hatte. Kalkutta steht schon seit Jahrzehnten gleichbedeutend für Armut; spätestens seit Mutter Teresa dort in den Armenhäusern gewirkt hat. Die Stadt liegt in Westbengalen, an der Ostgrenze Indiens, direkt neben Bangladesch. Man spricht dieselbe Sprache: Bengalisch. Die großen Modekonzerne lassen ihre Waren aber schon lange nicht mehr in Kalkutta herstellen, wo der Mindestlohn hundertsiebenunddreißig US-Dollar im Monat beträgt. Für die auf Gewinnmargen fixierte Textilbranche ist das zu viel. Sie ist größtenteils nach Bangladesch abgewandert. Dort ist der Mindestlohn halb so hoch.

Die Industrie von Kalkutta schien mir ein ähnliches Improvisationstalent zu haben wie seine Bewohner. Unter Zeltplanen in Hinterhöfen ratterten Nähmaschinen Jeans zusammen. In leer stehenden Bauruinen schweißten Männer Anhängerkupplungen. Und vom Highway aus sah man auf den Dächern zehnstöckiger Mietshäuser überall dampfende Blechbaracken, vor denen hauptsächlich rot und gelb gefärbtes Leder zum Trocknen auslag. Flachdächer bedeuteten wertvollen Platz. Also gerbte man dort Tierhäute, direkt neben Privatwohnungen.


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