Читать книгу Pellegrina. Eine italienische Radsportwallfahrt онлайн

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Den Stein ziert ein Porträt von Bottecchia; er trägt ein schwarz-weißes Radtrikot mit Rollkragen und schaut ein bisschen grimmig drein. Der lange, interpunktionslose Text unter dem Foto klingt, als hätte ihn jemand in Atemnot zusammengeschrieben:

Ottavio Bottecchia Weltberühmter Radrennfahrer Während er sich vorbereitete auf schwerere Prüfungen und heißersehnte Siege fiel er einer tödlichen Krankheit zum Opfer und stürzte an dieser Stelle Einwohner von Peonis halfen ihm aber er starb im Krankenhaus von Gemona am 15. Juni 1927.

Fiel einer tödlichen Krankheit zum Opfer, behauptet das Denkmal; Bottecchia sei gestürzt, ein Unfall also. Das ist die offizielle Lesart, aber in Wirklichkeit ist Bottecchias Tod immer ein Mysterium geblieben. Ein Bauer aus der Gegend berichtete später, er habe an dem Unglückstag einen Stein nach jemandes Kopf geschleudert, der von seinen Weintrauben genascht habe. Aber im Juni sind die Trauben noch so sauer, dass niemand sie stehlen würde, auch ein hungriger Radprofi nicht. Und dann war da noch dieser Einwanderer aus Sardinien, der in New York, kurz bevor er niedergestochen wurde, das Geständnis ablegte, er hätte Bottecchia im Auftrag der Mafia getötet. Die noch immer glaubwürdigste Erklärung ist die des Priesters, der Bottecchia an seinem Sterbebett die letzten Sakramente spendete. Ihm zufolge waren es die Faschisten gewesen, die den Radrennfahrer umgebracht hatten. In Mussolinis Italien der zwanziger Jahre wurden Sportler als Symbole des mächtigen Staats gesehen, und in Ermangelung militärischer Helden mussten starke Sportler als Botschafter der faschistischen Ideologie herhalten. Bottecchia hatte international große Erfolge zu verzeichnen, aber er war nicht ganz die Visitenkarte für seine Nation, die Mussolini sich gewünscht hätte. Bottecchia war vielmehr Antifaschist. Bei einem Interview mit einem französischen Journalisten machte er aus seinen sozialistischen Überzeugungen keinen Hehl, ja er brachte sogar zum Ausdruck, dass er die Zeit für gekommen hielt, sich persönlich in dieser Richtung zu engagieren. Keine Frage, Mussolini wäre ihn gern los gewesen. Ob er allerdings wirklich den Auftrag erteilt hat, ihn zu ermorden oder ihm auch nur eine Abreibung zu verpassen, um ihn zu warnen – das wird wohl für immer ein ungelöstes Rätsel bleiben.

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