Читать книгу Moderne Philosophiedidaktik. Basistexte онлайн

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Der Zwang zum Dialog birgt Gefahren und Missverständnisse. Er erweckt den Schein, als geschähe etwas, wo doch nichts geschieht, außer dass geredet wird; weder geschieht dadurch Wahrheit noch geschieht Handlung, was der inflationäre Gebrauch des Wortes »Handlung« verstellt. Der Dialog als unterrichtspraktischer Grundsatz zwingt dazu, sich redend zu offenbaren, auch wenn es nichts zu offenbaren gibt. Unterm Kommunikationszwang ist, wer schweigt, verdächtig.

Genau dieses Schweigen jedoch ist für die Philosophie unerlässlich; das stille Nachdenken, das sich nicht an die Kursöffentlichkeit preisgibt. Wahrscheinlich ist die nicht-öffentliche Verarbeitung dessen, was ein Schüler im Philosophieunterricht lernt und erlebt, von größerer Bedeutung für ihn als das, was er im Unterricht mitteilt. Aber nicht nur psychologisch gesehen ist Schweigen notwendiger Bestandteil des Philosophieunterrichts. Schweigen ist auch von der Philosophie her notwendig. Der Philosoph muss spätestens seit Arkesilaos, Pyrrhon, Boethius, Kant, Husserl und Wittgenstein wissen, wo er zu schweigen hat: Die Urteilsenthaltsamkeit ist dort erfordert, wo die Gefahr der Grenzüberschreitung besteht, wo die endliche Vernunft sich anmaßt, ihren Erkenntnisbereich zu verlassen. Diese Grenze ist im Philosophieunterricht noch enger: Sie endet schon ganz empirisch dort, wo das empirische Wissen von Lehrer und Schülern nicht ausreicht, um die anstehenden Probleme angemessen bewältigen zu können. Bescheidenheit und kritische Selbstbeschränkung ist deshalb angebracht, nicht Vielsprecherei. Der Philosophieunterricht muss deshalb den Schüler zum Schweigen an der richtigen Stelle befähigen und ermuntern.

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