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Damit der Philosophieunterricht nicht zum Schrein der Philosophie wird, muss das Denken vor dem Handeln geschützt werden. Denken kann nicht an Praxis gemessen werden, sondern nur am Denken selbst. Denken muss davor bewahrt werden, sich vor Praxis rechtfertigen zu müssen. Das Maß des Denkens ist einzig das Denken.

Ausgehend von meinem zweiten didaktischen Grundsatz, dass Didaktik der Philosophie reflexionsbezogen ist, habe ich eine erste unterrichtspraktische Folge erläutert, dass nämlich im Philosophieunterricht nicht gehandelt, sondern gedacht werden müsse, dass Denken weder mit Dialog noch mit Kommunikation zusammenfällt und dass es nicht eingebunden sein darf in vorgängige Praxis. Ich komme zur nächsten unterrichtspraktischen Folge, die sich auf das reflexive Moment philosophischen Denkens bezieht.

Das Denken, das im Philosophieunterricht vollzogen wird, ist weder auf Handeln abgezweckt noch auf die Verfügung über Dinge. Philosophisches Wissen ist weder Handlungs- noch Verfügungswissen. Das philosophische Denken ist eines, das, indem es Wirklichkeit begreift, den Denkenden ergreift. Wenn sich also der Schüler im Philosophieunterricht Welt denkerisch aneignet, dann ergreift der Schüler sich gleichzeitig selbst. Selbstergreifung ist das Ergebnis einer Objektivierung, nicht einer Subjektivierung. Und dies bezeichnet die eigentümliche Reflexivität des philosophischen Denkens, die ich im Anschluss an Platon »Paideia« nenne. Philosophische Paideia ist die Abwendung vom lebensweltlichen Alltagswissen, ohne schlichte Anhäufung von Kenntnissen zu sein. Philosophieunterricht betreibt nicht dort die Sache der Schüler, wo er sich mit Alltagsproblemen als Alltagsproblemen befasst, vielmehr betreibt er dann die Sache der Schüler, wenn es ihm gelingt, den Alltag zu überwinden. Das philosophische Denken ist nicht die Fortsetzung des Alltagsdenkens, sondern der Bruch mit dem Alltagsdenken. Und nur die philosophische Distanz vom Alltag ermöglicht es, sich auf den Alltag rückzubeziehen. Dieser Rückbezug ist jedoch äußerst vermittelt und schafft für diesen Alltag keine klaren Verhältnisse. Das philosophische Denken verwirrt eher den Alltag, als dass es ihn klärt, denn es macht Probleme in ihrer Komplexität deutlich, und je differenzierter die Problemsicht ist, desto schwieriger ist es, zu eindeutigen Handlungsanweisungen zu kommen. Jeder Handwerker ist lebenspraktisch besser orientiert als irgendein Philosoph. Philosophische Paideia fördert nicht die Lebensklugheit, sie ist Bildung als ein Prozess der Abarbeitung zufälliger, empirischer Subjektivität und Bedingtheit an der Objektivität des Seins kraft der Aufarbeitung der philosophischen Tradition.

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