Читать книгу Die Tyrannei des Geldes. Henri-Frédéric Amiel über Besitz und Bürgertum онлайн

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Das einführende Zitat weist darauf hin: Die folgenden Kapitel befassen sich mit Amiels Ausführungen zum Geld, zu Besitz und Besitzdenken, zur Ungleichheit der Güterverteilung und zum Verhältnis von Prestige und Vermögen. Gleichsam von der Seitenlinie aus folgte der Aussenseiter Amiel einer Art Versteinerungsprozess, der sich innerhalb der Bourgeoisie vollzog. Der alte Genfer Kaufmannsgeist, der Leistung und Verdienst betonte, schien ihm im Verschwinden begriffen. Eine Mentalität des Behaltenwollens, der Absicherung schien ihm überhandzunehmen; im Zentrum stand der Besitz, als absolute Grösse. «Die bürgerliche Gesellschaft», mahnte Amiel im Tagebuch, «die sich auf das Geld gründet, geht durch das Geld unter, wenn das Symbol die Sache selbst ersetzt.»

Das war eine Entwicklung, die sich nur schwer in Zahlen fassen liess. Anders die Welle von Spekulation und zügellosem Gewinnstreben, welche die Stadt um die Jahrhundertmitte heimsuchte. 1852 war die Genfer Börse gegründet worden, die erste der Schweiz, vier Jahre später hatte sie sich in der Form der Ringbörse etabliert. Hier trat eine neue Generation von Financiers auf den Plan: Kaufleute und Unternehmer mit dem Ehrgeiz, Genf ans internationale Finanzwesen anzugliedern. Gestandene Geschäftsmänner – so Amiel – trieben sich nun im Börsenvorsaal herum, statt sich ihrem Unternehmen zu widmen: «Was für ein stumpfsinniges und unterwürfiges Metier! Das Sinnen und Trachten des Menschen darauf gerichtet, die Krümel vom Geld einzusammeln, die Goldstücke schwitzen zu lassen, vorne dranzubleiben im Spiel von Kauf und Verkauf, Hausse und Baisse, Terminkauf und freiem Kauf – puuuh!» Die wachsenden Umsätze der Börse zeugten von der Faszination des neuen Instituts, aber auch die zahlreichen Konkurse und Insolvenzerklärungen, Selbstmorde und Skandale. Davon blieb selbst die Banque Générale Suisse nicht verschont. Unter Bürgermeister James Fazy 1853 eröffnet, war sie mit 25 Millionen Gründungskapital für damalige Verhältnisse ein Big Player, engagierte sich für den Bau eines Kanals durch Panama und bei der Bahngesellschaft Chemins de fer de l’Ouest, beide Male mit grossen Verlusten. Nach dreizehn Jahren ging sie in Konkurs. Fazy verlor sein gesamtes Vermögen; zahlreiche Anleger erlitten schwere Einbussen. «La ruine est facile pour les châteaux de cartes», kommentierte Amiel; Kartenhäuser stürzen leicht zusammen.

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