Читать книгу Die Tyrannei des Geldes. Henri-Frédéric Amiel über Besitz und Bürgertum онлайн

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Was er «Plutolatrie» nannte, die Verehrung oder Anbetung des Geldes, war für ihn auf heillose Weise verknüpft mit den Vereinigten Staaten, mit dem dort herrschenden Ideal des selfmade man. Obwohl überzeugter Anhänger des republikanischen Prinzips, stand Amiel den demokratischen Idealen der absoluten Gleichberechtigung skeptisch gegenüber. «Wenn es einmal nur noch gleichberechtigte Einzelwesen geben wird, ohne Unterschied zwischen jung und alt, zwischen Mann und Frau, Empfängern und Wohltätern, wird der gesellschaftliche Unterschied allein vom Geld ausgehen.» La différence sociale se fera par l’écu.

So wie seine Stellung in der Gesellschaft auf schwankendem Grund ruhte, war Amiel ein nachlässiger Verwalter der eigenen Einkünfte und seines Vermögens. «Diese ganzen Budgetangelegenheiten langweilen mich», meldet das Tagebuch jeweils zu Jahresbeginn, «und ich gestehe zu meiner Schande, dass ich die Flinte ins Korn geworfen und meine Konten das ganze Jahr nicht nachgeführt habe.» «Ich weiss nicht, was ich genau eingenommen habe», heisst es an anderem Ort, «und was ich berechtigterweise ausgeben darf – kurz: meine Geschäfte stehen Kopf und es ist möglich, dass meine Befürchtungen lächerlich sind oder meine Hoffnungen verstiegen.» Und weshalb fehlte ihm «der Instinkt für das Eigentum, das Beherrschen und Besitzergreifen»? Hatte dieser Mangel zu tun mit dem Schicksal seines Vaters? Jean-Henri Amiel hatte sich während Jahren aufgerieben im Kampf um die Erbschaft seiner Gattin, in einem zermürbenden Rechtsstreit mit Vorladungen, Urteilen, Anfechtungen und gehässigen Anschuldigungen. Der Vater, ein Kaufmann, war seinem Instinkt gefolgt, hatte gekämpft. Aber stand es denn einem Philosophen, einem homme d’esprit wie Amiel junior, an, sich in die Niederungen des Feilschens und Prozentrechnens zu begeben oder sich mit seinem Arbeitgeber über die Höhe des Salärs zu streiten?

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