Читать книгу Die Tyrannei des Geldes. Henri-Frédéric Amiel über Besitz und Bürgertum онлайн

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Auch das sind Fragen, auf welche die folgenden Kapitel eingehen: die Stellung des Literaten in Staat und Wirtschaft, die Psychologie des Geldes ganz allgemein, über die das Tagebuch bemerkenswerte Einsichten liefert. In seiner Gesamtheit bietet das Journal intime Stoff für eine Art Ökobiografie, den finanziellen Lebenslauf eines Einzelnen. Darüber hinaus offeriert es viele Einblicke in die Besitz- und Erwerbsmentalität einer Epoche, die der heutigen in vieler Hinsicht gleicht.

Wie müssen wir uns den äusseren Rahmen vorstellen, in dem dieses Leben abläuft? Spielt die «Tyrannei des Geldes», die der Eingangstext anspricht, darin eine Rolle? Und hält sich der Autor selbst an die Einsichten und Maximen, die seinen Namen weltweit bekanntmachten? Sein Alltag in den Jahren ab 1850 folgt jedenfalls einem geordneten Rhythmus mit Vorlesungen, meist an drei Wochentagen, mit Prüfungen und Benoten von Semesterarbeiten. Gelegentlich übernimmt Amiel eine Vortragsreihe bei den öffentlichen Veranstaltungen im Hôtel de Ville, einer Art Volkshochschule. Aber hier wie dort wird erwartet, dass der Redner frei spricht, weder auf Notizen schaut noch gar vom fertig formulierten Script abliest. Das erschwert Amiel die Aufgabe ungemein. Nur im privaten Kreis kann er im Gespräch überzeugen und mitreissen. Vor Publikum fühlt er sich unsicher und gehemmt. «Dreissig Ideen genügen mir nicht, um eine Stunde zu füllen», heisst es so oder ähnlich immer wieder, «so wenig weiss ich meine Exposition zu entwickeln, auszufüllen und zu polstern. Auch stelle ich fest, dass ich überhaupt nichts zu meiner intellektuellen Verfügung habe, keine Manövriermasse, keinen Grundstock.»

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