Читать книгу Die Tyrannei des Geldes. Henri-Frédéric Amiel über Besitz und Bürgertum онлайн

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Der Sommerurlaub führt Amiel gelegentlich ins Ausland, 1851 beispielsweise an die Weltausstellung in London, meist aber in die Gegend rund um Montreux, die er über alles liebt. Hier läuft er im ungezwungenen Kreis der Pensionsgäste gelegentlich zu grosser Form auf, trägt an regnerischen Nachmittagen ganze Bühnenstücke vor, gibt au vol, aus dem Stand, jeder Rolle ihre eigene Stimme. Manche Gäste sind den Tränen nahe und vergleichen ihn mit den besten Vorlesern auf Europas Bühnen, stellen ihn noch über den berühmten Mimen Eduard Devrient.

Ein vielseitiger Mann – wenn man ihn lässt. Aber der Alltag in Genf kennt kaum solche Sternstunden. Wenn nach der Vorlesung ein Student mit einer Frage an der Tür zum Hörsaal wartet, wird dieser kleine Erfolg bereits im Tagebuch vermerkt. Nach der Verheiratung seiner Schwester Fanny mit Pastor Franki Guillermet, einem hageren Geistlichen, schliesst sich Amiel der Familie an, als eine Art Pensionär. 1859 zieht der Haushalt in eine geräumige Stadtwohnung an der Cour Saint-Pierre, dem Kathedralenplatz im Herzen der Stadt. Amiel übernimmt zwei Mansardenzimmer, stattet sie aus mit seiner umfangreichen Bibliothek von 2500 Bänden. Das ist alles idyllisch, gemütlich, mit knisterndem Kaminfeuer und dem Blick über die Dächer der Altstadt – aber kein Raum zum Vorzeigen. Stattet ihm ein auswärtiger Student seine Antrittsvisite ab, muss er ihn im Salon von Fanny und Franki empfangen. Hier ist womöglich nicht aufgeräumt, brennt kein Feuer im Kamin ... ein unbefriedigender Zustand!

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