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Meine ältere Schwester war ein wunderbar begabtes Wesen, hold und lieblich; sie starb am Nervenfieber, erst zwölf Jahre alt. Die Brüder waren gutmütig, geistig aufgeweckt, aber wild und unbändig, wie die meisten Knaben in unserem Wohnorte Bruchsal im Großherzogtum Baden. Die fast ununterbrochenen Truppendurchmärsche 1813—1814, die Einquartierungen störten die Hausordnung der Familien und die gequälten Eltern vermochten ihre Kinder nicht vom Umgang mit den Soldaten zurückzuhalten. Da hatte auch unsere Mutter ihre liebe Not. Sie strafte zwar sehr streng, sperrte nicht selten die Brüder bei schmaler Kost ein, — doch das half nur auf kurze Zeit.

Auch ich drohte zu verwildern, denn ich liebte die Brüder über Alles und begleitete sie nur zu gern, wenn Kosaken oder Mameluken zu sehen waren. Ich jauchzte dann lustig mit: Hurra! oder: Vive l'Empereur!! —

Bis zu meinem sechsten Jahre kleidete die Mutter mich als Knabe, weil ich zu unschön als Mädchen aussähe. Die starken Züge, die große Nase passten eher zum gelockten Tituskopf, und ein leichter Gang und Mobilität in allen Bewegungen ließen mich im Knabenkostüm hübscher erscheinen. Ich war auch nicht wenig stolz auf meinen Sonntagsanzug von dunkelblauem Tuch mit Spitzenkragen und hellgelben Saffianstiefelchen. Ich hatte zwei Titel: »Großnase« und »kleine Komödiantin«. Der erste demütigte mich gar nicht, der zweite erfüllte mich mit Stolz. Ich bildete mir nicht wenig darauf ein, das Spiel einer Wandertruppe, die in Bruchsal einige Vorstellungen gegeben, nachahmen zu können, so auch den Tanz eines Seiltänzers, den ich als kleiner Knirps mit angesehen. Wenn Trübsinn im Hause herrschte, hieß es von den Brüdern gewöhnlich: »Komödiantin, spiele uns etwas vor!« — und die kleine Komödiantin gab sich alle Mühe, die Traurigen zu erheitern. Wenn bei Kaffeevisiten die Unterhaltung stockte, hieß es: »Linchen, tanze!« und freudestrahlend tat ich mein Bestes. Einen Stock als Balancierstange nach Art der Seiltänzer haltend, stellte ich mich auf eine Ritze des Fußbodens, und hin und her ging es auf dem Pseudo-Seil mit den zierlichsten Pas. Eine alte Dame, die einst diese Seiltänzersprünge sah, hielt mich für — behext — und schlug das Kreuz vor mir. Erst meine der Kammerjungfer abgelauschten Lieder: »In einem Thal bei armen Hirten«, und »Willst Dich, Hektor, ewig von mir wenden«, welche ich rein und wohlklingend gesungen haben soll, vermochten sie etwas zu beruhigen. — Einst mussten viele Knaben Bruchsals ins Gefängnis wandern, so auch meine Brüder als Hauptschuldige — als Anführer. Sie hatten ein Feuerwerk abbrennen wollen — und verbrannten sich dabei nebst einigen Scheunen. Die Brüder saßen im Nord- und Südturm. Da war es wenigstens hell und luftig. Eine ganze Woche lang wanderte ich nun nach dem Nord- und Südturm. Hinein durfte ich nicht, aber von außen hinaufsprechen und Obst und Brot für sie abliefern. Da stand ich denn zuerst am Nordturm: »Louis! wie geht's Dir da oben?« — Ein blasses, feines Gesicht sah zum kleinen Fenster heraus: »Ganz gut, Linchen!« — »Hast Du Hunger?« — »Nein! gib es dem Karl, der hat immer Hunger; lebe wohl! grüß' die Mutter.« — Dann eilte ich nach dem Südturm: »Karl, wie geht's Dir in Deinem Krähennest?« — Das runde, sonst so übermütig lustige Gesicht meines ältesten Bruders sah wehmütig nieder. »Nicht gut, Lina.« — »Willst Du Obst und Brot?« — »Gewiss! ich habe Hunger,« und der Wärter trug ihm meine Schätze hinauf …

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