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Von effektuierenden Momenten ist bei Fräulein Bauer eigentlich keine Spur. Mag das Bedingung ihres Naturells, oder Ergebnis ihres poetischen Verständnisses oder Beides sein; so brillant ihre Erscheinung auf der Bühne genannt werden kann, so wenig besteht ihr Spiel aus brillanten Einzelheiten. Sie scheint selbst auf Kosten der Wirksamkeit nur einen — Totaleindruck zu erzielen. Es liegt hierin etwas sehr Schönes und echt Künstlerisches; allein wie viel Rollen, selbst gute Rollen gibt es nicht, deren Wert nur in der Entwickelung dieses oder jenes Momentes beruht! Stände Fräulein Bauer immer in einem kunstfertigen, ausgebildeten Ensemble, und brächten unsere Bühnen nur immer Klassisches, so würde das Talent dieser Künstlerin wohl niemals seiner Wirksamkeit entbehren. Wie schön ist in Dresden ihr Zusammenspiel als Julia mit der humoristisch-salbungsvollen Werdy als Amme! — Auf unserer Bühne hatte sie mit ihrer Amme förmlich zu kämpfen, und der Zauber ihrer musikalischen Stimme in den Balkonszenen zerbrach fast an einem wortkargen Romeo, dem der Souffleur mit seinem Kasten hätte nachlaufen müssen in die grüne Schattenlaube. Durchaus glänzend — und von dem Effekt, den die Dichtung bezweckt, war der große Monolog, nach welchem Julia den Giftbecher leert. In der Szene mit dem alten Capulet war ihr Kampf zwischen Liebe, Schmerz, Verzweiflung und kindlicher Ergebung meisterhaft. Dagegen erschien sie in der Totengruft zu kühl. Wie sehr ihr Spiel jedoch, selbst mit Aufopferung des Effekts, dem poetischen Verständnis huldigt, beweist unter anderem die Art und Weise, wie sie in der Szene auf dem Ball die Worte: »Ihr küsst recht nach der Kunst« — von jeder sonst üblichen Betonung verschieden, zu geben wusste. Diese Worte lassen sich im Sinne der Julia kaum recht deuten; man weiß nicht, wie Julia zu dieser auffälligen Rede kommt. In der Regel tappen die Darstellerinnen über diese Schwierigkeit sehr oberflächlich hin, Fräulein Fournier schlägt wie errötend den Blick dabei zu Boden. Fräulein von Hagn sieht dem Romeo dabei listig ins Auge, sowie denn diese Schauspielerin überhaupt dem Charakter einen Beigeschmack von moderner Schalkhaftigkeit gibt, von der das Shakespeare'sche Mädchen nichts weiß. Beide Darstellerinnen effektuieren aber mit dieser Auffassung der Stelle. Fräulein Bauer spricht die Worte gewissermaßen ganz harmlos ins Blaue, wie ein junges Ding einmal Gehörtes gedankenlos nachplaudert. Mich dünkt, Shakespeare habe so und nicht anders seiner Julia dergleichen in den Mund gelegt.

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