Читать книгу Schweizerspiegel. Roman онлайн

171 страница из 246

Eine Viertelstunde darauf trat Hartmann ein und begann nach einem kurzen, forschenden Blick auf seine Frau sogleich die Uniformbluse aufzuknöpfen. «Es ist schwer, mit deinem Bruder ein vernünftiges Gespräch zu führen», sagte er so ruhig und selbstverständlich, als ob er nicht wochenlang allein in diesem Zimmer geschlafen hätte. «Er hat mir gegenüber so eine Art von Ressentiment … ich weiß nie, was hinter seinen Worten steckt … und dieser Mord ist doch wirklich kein Anlaß zu Journalistenwitzen.»

«Ja … er ist oft merkwürdig», antwortete sie, ohne genau zu erfassen, was in Frage stand. Mit einer Hand hielt sie noch immer den Saum des Linnens, das sie bei seinem Eintritt bis unter das Kinn hinaufgezogen hatte. Sie vermied seinen Blick, schaute zur Decke empor, von einem tiefen, dunklen Ernst erfüllt, und erkannte nur an seiner unverfänglichen Bemerkung und am Ton seiner Stimme, wie sehr er bemüht war, ihr jede Verlegenheit zu ersparen. Dankbar ging sie darauf ein.

Es wurde eine der unruhigsten und verworrensten Nächte, die sie seit langem erlebt hatte. Sie fand keinen rechten Schlaf, mußte zweimal hinaus, um die Kinder zu beruhigen, und wurde im Halbschlummer von Träumen geplagt, die sie nach dem Aufwachen noch ängstigten. Ihre Unterhaltung mit Albin vor dem Bücherschrank und das Ereignis in Sarajevo vermischten sich darin auf die unsinnigste Art, aber mit einer so heillosen Entschiedenheit, daß sie künftig das Wort Sarajevo nie mehr hören konnte, ohne an Albin zu denken. Schon beim ersten Versuch, einen Fetzen dieser Traumfolge festzuhalten, erschrak sie, weil der Mörder durchaus nicht der junge Lyzeumsschüler war, sondern Albin Pfister, der lächelnd mit einem Ordonnanzrevolver auf sie zielte und gleich darauf den Erzherzog erschoß. Der Erschossene wurde eilig weggetragen, war aber nicht mehr der Erzherzog, sondern irgendein Mann in Uniform.

Правообладателям