Читать книгу Schweizerspiegel. Roman онлайн

98 страница из 246

Ohne anzuhalten schaute sie erfreut den Möwen zu, von denen einige bettelnd über der Quaimauer flatterten oder sich leichtfüßig auf der Mauer niederließen, die Flügel ordneten und aufmerksam herumblickten, während andere hoch über dem Wasser in der klaren Luft mit mühelosem Schwunge kreuzten.

«Wenn ich kein Mensch sein müßte, möchte ich eine Möwe sein, nur um so herrlich fliegen zu können», dachte sie. «Der Mensch ist und bleibt ein schwerfälliges Wesen, auch wenn er das Leben noch so meistert. Was ist doch Mama für eine überlegene, selbständige Person, aber wie ist sie an alles gebunden und wie quält sie sich jetzt wieder!»

Während sie vom Seeufer abbog, begann sie über Mamas Plan nachzudenken und überlegte, ob es nicht auf eine andere Art ginge. Mama wollte vor der Übersiedlung in die Mietswohnung noch einmal die Ammannsche Verwandtschaft in den alten Räumen versammeln. Die Einladung war bedacht und ausführlich besprochen worden, aber dabei hatte sich gezeigt, daß diese Verwandtschaft kaum mehr unter ein Dach zu bringen war. Die persönlichen Anlagen und Eigenheiten ihrer Mitglieder hatten sich im Lauf der Jahre unmerklich verstärkt. Da war die Verwandtschaft im Rusgrund mit ihrem Oberhaupt Onkel Robert, einem noch halb bäuerischen Landwirt, der auch in einem städtischen Salon den Rock auszog, wenn es ihm paßte, und der mit einem vornehmen, auf Haltung so erpichten Offizier wie Hartmann nur schwer in Einklang zu bringen war. Ferner hatte der kultivierte, stille Professor Junod mit Onkel Robert gar nichts gemein, so wenig übrigens wie mit Frau Barbaras Bruder, dem Oberstdivisionär Boßhart, der sich bei geselligen Anlässen höchstens langweilte, wenn er nicht gifteln oder trinken konnte. Eine größere Anzahl guter Flaschen würde zwar die männlichen Gegensätze gegen Mitternacht vielleicht aufzutauen vermögen, aber dann blieben immer noch die Frauen, und außerdem war der Hausfrau das Mittel unsympathisch. Zudem würde Paul sich wahrscheinlich drücken, vielleicht auch Fred, der in Gesellschaften mit merkwürdig feinem Gefühl das Unechte und Gezwungene spürte. Am ehesten konnte noch Severin bestehen; mit seiner Frau hingegen ließ sich wenig anfangen. Papa und Mama selber nahmen eine gewisse humane Mitte ein und wären wohl imstande gewesen, ohne Verstellung nach allen Seiten hin anzuknüpfen, aber offenbar hatten sich nun zu ihrem Ärger die Widerstände stärker erwiesen als ihr guter Wille.

Правообладателям