Читать книгу Im Stillen klagte ich die Welt an. Als "Pflegekind" im Emmental онлайн
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Immer wenn Weihnachten näher rückte, nahm Mama im Warenhaus Loeb an der Spitalgasse eine Stelle an. Sie arbeitete dort als Verkäuferin während der Wintersaison. Das ergab einen geschätzten Zustupf in die Haushaltkasse. Diese Zeit verbrachten wir noch nicht schulpflichtigen Kinder im städtischen Jugendheim im Mattenhofquartier. Dort seien wir gut aufgehoben, versuchten uns die Eltern verständlich zu machen.
In diesem Heim herrschte eine strikte Tagesordnung. Zum Frühstück gab es regelmässig den kernigen, verhassten Haferbrei. Auf harten Bänken sassen wir an langen Tischen und schauten zu, wie die «Tanten» uns einen Schöpflöffel voller Brei auf die Teller klatschten. Eine andere Tante band uns den Esslatz um. Sie schnürte ihn so eng, dass man kaum noch Luft holen konnte. Gelang es uns nicht, im richtigen Moment den Finger zwischen Latz und Hals zu schieben, wurden wir fast stranguliert, und der Haferbrei rutschte nur mühsam die Kehle runter.
Tag für Tag trugen alle Kinder die selben karierten Ärmelschürzen. Blaue für die Mädchen und rote für die Knaben. Zum Schutz gegen Wind und Kälte wurden wir für den täglichen Spaziergang in dicke schwarze Pelerinen gehüllt. Den Rest des Tages verbrachten wir vorwiegend im Hause beim Spielen. Einmal im Zimmer, durften wir diesen Raum ohne Abmeldung nicht mehr verlassen. Etwa wöchentlich einmal erschien die Vorsteherin im Spielzimmer, klatschte in die Hände, sang ein Lied und hüpfte mit uns im Kreise herum. Danach war ihr Kontakt-Soll erfüllt, und sie überliess uns wieder den Tanten, die sich mehr oder weniger gefühlvoll mit uns abgaben.