Читать книгу Keinen Seufzer wert. Roman онлайн
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Das Mädchen ist vom Weinen müde geworden. Unter nassen Wimpern hält es die Augen geschlossen und reibt das feuchte Näschen an Jakob, der es nun in ihre Stube zurückträgt. Res zieht sich indessen den Tschopen an und geht ins Tenn, Verena folgt ihm mit dem Melkkübel. Um den Stall zu öffnen, muss Res durch die Futterlöcher hindurch eine Latte lösen. Auf den Zehenspitzen seiner mageren Beine stehend, beugt er sich weit nach vorne, auf zitternden und verkrampften Gliedern. Verena fürchtet jeden Moment, dass er kopfüber in die Krippe fällt. Bei solchen Verrenkungen kann sie ihm nicht helfen, anfassen will sie ihn lieber nicht.
Res wartet einen knappen Schritt hinter Verena auf die Milch. Sie stemmt ihre Stirne gegen den warmen Kuhbauch und versucht, ihn zu vergessen, während sie ruhig den Milchstrahl abwechslungsweise von links und von rechts in den Kübel lenkt.
Res, überlegt sie, der etwas älter ist als sie, lernte den Hunger gewiss schon in der Wiege kennen. Im Jahre 1816, erzählt man sich doch, war die Not der Leute besonders schlimm. Die Ernten blieben gänzlich aus, die Menschen assen Gras statt Brot. Res’ Geiz wird dannzumal entstanden sein, wie auch sein sonderbares Wesen. Er wird für alle Zeiten den Hunger im Bauch behalten haben.