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An Weihnachten, besonders am Morgen des Weihnachtstages, war sie oft schlecht gelaunt, unterschwellig gereizt. Ich weiss nicht, ob das mit der Jahreszeit zusammenhing, etwa mit den winterlichen Raunächten und den langen Morgendämmerungen, oder dann mit dem Fest an sich, dieser programmierten und verbrämten Feierlichkeit, die sie vielleicht als verlogen empfand, und die auch schlecht ins Gewühl der eigenen Befindlichkeiten hineinpasste. O du selige, Gna­den bringende Weihnachtszeit ... Der geringste Anlass genügte dann, um eine Szene auszulösen; sie drohte, die angekommenen Geschenke wieder den Verwandten zurückzuschicken und keinen Christbaum zu machen. Natürlich kam später die Feier trotzdem zustande; gegen Abend holte sie das Tännchen herein, ging damit in die Stube und schmückte es stundenlang, schien dabei, im Gegensatz zum Morgen, auffallend still und zufrieden.

Ihr Bild hier auf meinem Büchergestell, ein schwarzweisses Foto, zwei Jahre vor ihrem Tod entstanden. Sie sitzt auf dem Brunnenrand, einen Kupferkessel haltend, hinter ihr der Garten mit dem Kirschbaum, die gedeckte Holzbrücke. Hier sieht sie noch gesund aus, während sich die Krankheit wahrscheinlich schon in ihr eingenistet hatte, unbemerkt wie ein Schatten. Nun ist sie seit vielen Jahren tot, zu Erde geworden, während ein Teil von ihr in mir noch weiterdauert – vielleicht ihre Gesichtszüge, ihr Blick, ihr Zorn oder ihr Verstummen, ihre Schwere und ihre Zähigkeit, ihre Härte und ihr Erbarmen, ihr Unfriede und ihre gelegentliche Hei­ter­keit.

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