Читать книгу Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch онлайн

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Ich habe versucht zu beschreiben, wie sehr mich das Gespräch mit der jungen Dichterin erschüttert hatte. Was mich aber vollends aus dem Gleichgewicht brachte, war ein anderer Herr, dem ich vorgestellt worden war. Er war Grafologe. Er interessierte mich, einmal wegen seines Berufs, zum anderen, weil er offenbar Spinoza genauso bewunderte wie ich. Er war ein groß gewachsener blonder Mann mit feinen Gesichtszügen und einer leicht gebeugten Haltung. Er saß, stand oder ging gewöhnlich mit gesenktem Haupt, als trüge er eine schwere unsichtbare Last – und genauso war es auch!

Ich hatte ihn über meinen Gastgeber in der Prinsengracht kennengelernt. Eines Tages lud er mich zu sich nach Hause ein und stellte mir seine Frau und seinen Sohn vor. Sie war eine kräftige, dunkelhaarige kleine Person, die aussah wie dreißig, aber eher vierzig sein musste. Trotzdem sah sie sehr gut aus. Sie war extrem ernst und auf seltsame Art lebendig. Ihr Sohn war zwölf und außergewöhnlich hübsch.

Der Mann hatte versprochen, mir seinen Beruf zu erklären, nachdem ich ihm gestanden hatte, diesen schon immer mit einer Portion gesunder Skepsis betrachtet zu haben. Doch als ich bei ihm eintraf, steckte mich seine Frau mit ihrer Begeisterung für Musik an. Sie hatte eine kleine Plattensammlung mit Werken von Bach, Mozart und Vivaldi, um nur eini­ge zu nennen.

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