Читать книгу Meine weisse Stadt und ich. Das Bernbuch онлайн

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‹Musik ist alles, was mir geblieben ist›, sagte sie feierlich. Und ich hatte das Gefühl, dass ich mich privilegiert fühlen sollte, sie mit ihr teilen zu dürfen. Anschließend blieb uns nichts anderes übrig, als zuzuhören. Und so machten wir es uns um den Plattenspieler herum gemütlich. Mein Platz war neben dem Fenster, durch das ich über die Dächer von Am­sterdam sah. Ansonsten konnte ich den Blick nicht von ihr abwenden. Sie war auf starke, überzeugende Weise ein Zentrum der Anziehungskraft für uns alle.

Später erfuhr ich, dass diese kleine Frau während des Krieges sehr mutig gewesen war. Die Nazis hatten sie mehrmals festgenommen, und jedes Mal war ihr die Flucht gelungen. Ihre Augen glühten wie Feuer, während sie die Musik in sich aufnahm, als wäre sie das Leben selbst. Wir anderen nahmen an diesem Ritual teil wie Besucher, die den Gottesdienst ei­ner Kirche besuchen, ohne deren Glauben anzugehören.

Dann war die Musik zu Ende. Sie servierte uns Kaffee, und ich hatte das Thema Grafologie vergessen. Wir unterhielten uns über Spinoza.

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