Читать книгу Die Bargada / Dorf an der Grenze. Eine Chronik онлайн

25 страница из 81

Es traf Orsanna, daß die Stellung, die sie sich erarbeitet zu haben wähnte, ihr nur geliehen sein sollte. Empört fragte sie sich, ob sie nicht gescheiter täte, dem Beispiel Bernardos folgend, in die Fremde zu ziehen, wo man ihre Kraft besser zu würdigen wüßte. Mochten die Eltern schauen, wie sie allein fertig würden. Doch das waren zornige Faseleien. Nie könnte sie die Bargada verlassen. Für sie gab es nichts auf der Welt, als hier in schwerer Arbeit sich mühen und mit allen Mitteln versuchen, gegen Brauch und Umstände, gegen den Willen der Eltern sich den ersten Rang auf dem Hof, auf den der Bruder verzichtete und den sie schon so gut wie inne hatte, zu sichern. Es mußte gelingen.

Wenn sich ein Mann für sie fände, bereit, auf den Hof einzuheiraten? Fast lächerte sie der Gedanke. Sie war schon über die Dreißig und hatte nie Zeit gehabt, sich um junge Burschen zu kümmern. Zudem, welcher hätte es ernst mit ihr gemeint? Eine Armini heiratete keiner vom Dorf. Nun war da aber der neue junge Wegknecht Giovanni. Er wohnte weit unten im ersten Ort des Tales und half seiner Mutter, die mit vielen kleinen Kindern Witfrau geblieben war, die Geschwister aufziehen. Man rühmte ihn deswegen. Jede Woche führte ihn sein Arbeitsgang über die Bargada. Orsanna sah ihn gerne kommen und beobachtete ihn etwa vom Garten aus. Er arbeitete mit Schaufel und Harke, fleißig und doch ohne Hast, daß es ihr recht gefiel. Auch sein kantiges Gesicht gefiel ihr. Sie durfte es sich offen gestehen, er war so viel jünger als sie, fast ein Bub noch, kam ihr vor. Oft gab es sich, daß sie ihn auf dem Wege traf, wenn er nach Feierabend die Werkzeuge auf der Schulter den langen Gang in sein Dorf hinunter antrat. Sie plauderten, machten einen Scherz. So hatte es begonnen. Doch wollte ihr bald scheinen, Giovanni wisse es geschickt einzurichten, um sie zu treffen, und was er ihr sage, habe alles einen zweiten Sinn: es wolle anderes und mehr sagen, als was die Worte bedeuteten. Sie ertappte sich dabei, nach diesem Sinn zu suchen und zu prüfen, was darauf zu antworten wäre. Dann schalt sie sich närrisch, hielt sich Launen alter Mädchen vor und schämte sich, Zeit mit Unsinn zu vergeuden. Und doch wurden ihr die Tage der Woche lieb oder unlieb, je nachdem sie näher oder ferner jenem Tag lagen, der den Burschen auf die Bargada brachte.

Правообладателям